Cybermobbing – Verschärfung der Strafverfolgung oder Empowerment ?

Die Tagesschau berichtete gestern darüber, dass die Justizministerkonferenz Aktivitäten gegen Cybermobbing plant (siehe auch den Retweet rechts).
Bei Cybermobbing handelt es sich um psychische Gewalt gegenüber Schwächeren im Internet, also um Diffamierungen, Verunglimpfungen, Belästigungen, Nötigungen und das Streuen von falschen Anschuldigungen und Gerüchten über andere Menschen.

Cybermobbing ist ein wachsendes Problem im Internet mit einer großen Dunkelziffer, dass immer noch von Vielen unterschätzt wird. Wir berichteten darüber mehrfach in diesem Blog (z.B. am 11.9.13 unter dem Titel: Psychoterror im Netz).

Untersuchungen zeigen, dass 32 % der meist jugendlichen Internet-Nutzer davon betroffen sind. Viele scheuen sich jedoch, darüber zu sprechen, sich Hilfe zu holen, sich zu wehren oder Anzeige zu erstatten.

Es gibt zahlreiche Probleme auch bei der Strafverfolgung von Cybermobbing. Erst einmal existiert dieser Begriff im Strafrecht gar nicht. Dazu kommt, dass es schon sehr massive Angriffe nötig sind, bevor die Staatsanwaltschaft aktiv wird. Anders als bei anderen Straftaten besteht also erst einmal kein öffentliches Interesse der Gesellschaft, gegen Cybermobbing vorzugehen. Deshalb müssen die  Betoffenen selber aktiv werden und eine Anzeige machen. Davor schrecken aber viele zurück.

Die Anonymität im Internet macht es ausserdem nicht nur für die „Täter“ einfacher, ihren aggressiven Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie macht auch die Ermittlung für die Strafverfolgung schwerer.

Bisher sind mir keine Untersuchungen darüber bekannt, ob die meisten „Täter“ bei Cybermobbing aus dem privaten oder beruflichen/schulischen Umfeld der Betroffenen stammen, wie bei anderen Formen der körperlichen und psychischen Gewalt.

Nach Medienberichten wurde auf der Konferenz v.a. über Maßnahmen der Justiz diskutiert. Darüber hinaus wurde, z.B. von Prof. Dirk Heckmann, einem juristischen Experten, der sich seit mehr als 10 Jahren mit Internet-Recht beschäftigt, einen „Abuse-Button“ einzuführen, der beleidigende Kommentare direkt an den Betreiber meldet. Ausserdem plädiert Heckmann für mehr Sensibilität im Umgang mit Bedrohungen im internet und für eine „digitale Empathie“ und betont, dass der Einsatz schon früher beginnen muss, nämlich dann wenn menschen zu opfern gemacht werden.

Bei der notwendigen Diskussion und diesen zahlreichen, hilfreichen Vorschlägen kommt aber m.E. ein ganz zentraler Punkt zu kurz, der bei „Opfern“ von Mobbing und Gewalt (auch sexueller Gewalt) eine ganz zentrale Rolle spielt:

Die Betroffenen trauen sich oft nicht, sich zu wehren und sind mit den „Tätern“ oft so eng verbunden, dass sie negative Konsequenzen befürchten, wenn sie sich gegen die Gewalt auflehnen.

Das wird neudeutsch auch als Empowerment bezeichnet: Damit ist die gezielte Stärkung gemeint, die Menschen in die Lage versetzt, seine Situation zu ändern oder seine Position zu behaupten.

Und dieser wichtige, erste Schritt wird oft vergessen oder vernachlässigt. Denn nur wenn jemand auch die Kraft hat, sich zu wehren und zu den Konsequenzen zu stehen, machen diese juristischen und gesellschaftlichen Vorschläge Sinn.

Und was ist notwendig zum „Empowerment“ und zur Stärkung der Betroffenen ?

Das ist individuell sehr unterschiedlich: In jedem Fall braucht es ein vertrautes, soziales Umfeld, dem sich die Betroffenen anvertrauen können. Es baucht es ein Minimum an Selbstvertrauen der Betroffenen und ein Bewusstsein darüber, dass sie Opfer von Gewalt sind. Eine Gewissheit darüber, dass sie selbst nicht schuld sind, dass ihnen Unrecht geschieht und dass sie sich wehren dürfen und sogar müssen.

Und wenn das nicht möglich ist, brauchen die Betroffenen therapeutische Hilfe, genauso wir Opfer von anderen Formen von Gewalt und Mobbing.

Diese Hilfe kann u.a. bei Therapeuten, in psychosomatischen Tageskliniken und psychosomatischen Abteilungen (wie z.b. in unserer psychosomatischen Abteilung bei München) angeboten werden.

Fazit:

Es braucht beides: sowohl die individuelle Stärkung (Empowerment), als auch ein gesellschaftliches Bewusstsein und juristische Unterstützung imKampf gegen Cybermobbing.