Beiträge

Hilfe für Gesunde in Krisen

Als wir vor sieben Jahren unsere Abteilung für Psychosomatik bei München eröffnet haben, schrieben wir in unseren Flyer: „Wir helfen Gesunden in Krisen !“ Damit wollten wir auf unser Angebot von diagnostischen Gesprächen für die Menschen aufmerksam machen, die oft erstmals in ihrem Leben in schwere Lebenskrisen geraten waren und schnelle Hilfe brauchten.

Erstaunlicherweise habe ich in dieser Woche einen Artikel in der ZEIT gefunden, der genau das zum Thema macht: Unter der Überschrift: „Erste Hilfe fürs Ich“ und dem Untertitel: „Wer eine Therapie benötigt, muss meist lange warten. Vielen Menschen reicht aber in psychischen Krisen eine kurzfristige Unterstützung – Hauptsache schnell“ (ZEIT, Nr. 22, vom 22.5.2014) werden lange Wartezeiten beklagt und ein wirklicher Missstand in der Versorgung beklagt:

Es gibt wenig akute Anlaufstellen für Menschen in psychischen Krisen, die den Betroffenen dabei helfen, schnell die für sie richtige oder angemessene Behandlung zu finden.

An vielen Stellen haben wir in diesem Blog beklagt, dass Menschen, die  Hilfe  bei psychischen Problemen suchen, oft ganz unterschiedliche Empfehlungen bekommen, die sie zusätzlich irritieren und verunsichern.

Oft bekommen Menschen mit dem gleichen Problem oder den gleichen Beschwerden ganz unterschiedliche Empfehlungen. Und die Betroffenen sind in Not und können oft nicht unterscheiden, ob sie nur ein kleines, akutes Problem haben und nur wenige Gespräche zur Unterstützung brauchen, oder ob sich hinter der akuten Krise ein größeres Problem verbirgt.

Dazu brauchen sie Experten für schnelle Gespräche, exakte Diagnostik und unabhängige Behandlungsempfehlungen.

Das bieten wir in unserer psychosomatischen Abteilung in Ebersberg bei München seit inzwischen sieben Jahren an.

Wir machen jährlich Hunderte von Gesprächen mit Menschen in Krisen. Nur ein Teil von ihnen kommt zu uns in Behandlung. Den anderen empfehlen wir andere Abteilungen, ambulante Therapien oder medizinische Behandlungen.

Wir sind nicht vollständig unabhängig, da wir unser eigenes Behandlungskonzept und unsere eigene Abteilung haben. Wir versuchen aber, Termine so schnell wie möglich anzubieten und Menschen nur die notwendigen Behandlungs-Empfehlungen zu geben. Bei diesen Empfehlungen orientieren wir uns an den nationalen und internationalen Behandlungs-Leitlinien der Fachgesellschaften.

Das heisst, wir empfehlen unsere, psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren nur, wenn sie den Leitlinien entsprechen, wenn es keine besseren, anderen Behandlungen gibt und die Betroffenen sich nach ausführlicher Information auch selbst für eine Behandlung in unserer Psychosomatik bei München entschieden haben.

Denn die Empfehlungen in dem oben erwähnten Artikel sind nicht in allen Fällen hilfreich:

– Sozialpsychiatrische Dienste haben oft ein psychiatrisches Klientel mit z.T.chronischen psychischen Problemen

Kirchliche Beratungsstellen und psychosoziale Beratungsstellen sind oft auf bestimmte Probleme spezialisiert und Psychiatrische Ambulanzen wenden sich oft an „schwer und chronisch Kranke“ und bieten Hilfe “ sowie in psychiatrischen Notfällen“.

 

Resilenz* – Das Problem mit der Widerstandskraft

*An der Schreibweise können Sie sehen, dass auch ich ein Problem mit der Resilienz habe. – (Vielen Dank an die Patientin, die mich darauf hingewiesen hat).- In diesem Blog haben wir schon an einigen Stellen über positives Denken und die Frage, warum manche Menschen krank werden und andere nicht, geschrieben (siehe dort).

Zwei Bücher über Resilienz haben mich jetzt dazu veranlasst, auf diesen Begriff und das dahinter liegende Konzept noch einmal einzugehen.

M. Gruhl und H. Körbacher* schreiben: „Mit Resilienz leichter durch den Alltag.“ Im Buch von Frau Prof. Heller** heisst es: Wir alle brauchen Resilienz, eine innere Stärke, um mit den vielen Herausforderungen im Leben gut umgehen zu können.“ und: „Resilienz können Sie gezielt trainieren, indem Sie sieben Schlüsselstärken durch bestimmte Übungen entwickeln, ausbauen und festigen.“

Nach den Ausführungen in beiden Büchern handelt es sich bei den Schlüsselstärken oder Grundhaltungen um Optimismus, Akzeptanz, Selbstwirksamkeit, Verantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung. Diese zu entwickeln und auszubauen, soll Stabilität im Alltag bringen.

Die Autoren betonen, dass der Ausbau dieser Schlüssel auch die Widerstandkraft gegen Krisen stärkt. In beiden Büchern leiten sie dazu an, wie man diese Fähigkeiten lernen und „trainieren“ kann.

Zwar betont v.a. Frau Heller, dass der Umgang mit Problemen und Schwierigkeiten und die Widerstandskraft normalerweise in der Kindheit gelernt werden. Sie zählt auch die fördernden Bedingungen auf, die zu dieser Widerstandskraft führen : enge soziale Bindungen zu mindestens einer Bezugsperson, Akzeptanz, Respekt und Unterstützung.

Doch alle Autoren betonen, dass Erwachsene diese Widerstandskraft nur durch Training selbstständig und ohne Hilfe erlernen können.

Dazu finden sie z.T. blumige Begriffe wie: das Immunsystem der Seele oder die Stehaufmännchen-Kompetenz.

Aber hier greifen diese Konzepte zu kurz !

Denn die tägliche Praxis in Psychotherapien und Psychosomatik zeigt, dass Verhaltensänderungen nicht nur durch Erkenntnisse und Kraftanstrengungen allein erreicht werden kann. Dann müssten Menschen in Krisen nur die richtigen Bücher lesen und sich um diese „Schlüsselstärken“ bemühen. Patienten, die trotz Durchblutungsstörungen und Herzerkrankungen rauchen, oder trotz Diabestes zuviel essen, wären selber schuld, weil sie sich nicht genug bemühen.

Das Problem ist doch eher, dass wir alle immer wieder viele Dinge machen, von denen wir wissen, dass sie uns nicht gut tun oder ungesund sind. Das gilt sowohl für unser Privatleben als auch für den Beruf.

Dafür gibt es Gründe, die uns meist nicht bewusst sind und die der Vernunft allein nicht zugänglich sind. Hier reichen gute Vorsätzen allein nicht. Freud sprach vom Unbewussten. Wir denken, es hat viel mit der Lebensgeschichte zu tun und mit Affekten und Erlebnissen, die nicht auszuhalten waren und verdrängt wurden.

Das heisst, wir haben es alle immer wieder mit Lebenssituationen zu tun, in denen wir überfordert sind und professionelle Hilfe, Coaching und Therapien brauchen.

In unserer Psychosomatik bei München helfen wir Menschen in Krisen und mit Depressionen, die zu uns gekommen sind, weil sie selbst nicht mehr weiter gekommen sind und intensive tägliche Therapie brauchen, um diese eigenen Kräfte erst wieder zu entdecken und zu spüren, an welchen Stellen sie sich überfordert haben. All diesen Menschen hilft das Resilienz-Konzept nicht weiter.

Bei vielen Betroffenen verstärkt dieses Konzept nur die Selbstvorwürfe und Versagensgefühle. Und wir behandeln immer wieder Menschen, die durch eine zu starke Fixierung auf das Resilienz-Konzept noch tiefer in ihre Krisen geraten sind.

Weil wir uns nicht einfach nach den Anleitungen und Tips von solchen Büchern, wie dem von Frau Prof. Heller* selbst aus Krisen helfen und vor Überforderungen schützen können.

* M. Gruhl und H. Körbacher: Mit Resilienz leichter durch den Alltag, Kreuz Verlag 2012

** J.Heller: Resilienz, sieben Schlüssel für mehr innere Stärke, G U Verlag 2013

Ambulanzen für die Psychosomatik

Seit Anfang des Jahres sind psychosomatische Krankenhäuser und Abteilungen berechtigt, Ambulanzen einzurichten (Institutsambulanzen nach § 118 Abs. 3 SGB V). Diese Möglichkeiten wurden durch die Veränderungen im Rahmen des PEPP-Entgeltssystems eingeleitet.

Diese Ambulanzen stellen eine große Chance und Verbesserung für viele Patienten dar, die schnelle therapeutische und ärztliche Untersuchungen und Behandlungen brauchen (s.u.).

Deshalb beabsichtigen wir auch, in unserer psychosomatischen Abteilung bei München sobald wie möglich eine solche Institutsambulanz einzurichten.

Doch bis zur Realisierung müssen noch einige Voraussetzungen erfüllt werden. So trifft sich in der nächsten Woche eine Arbeitsgruppe bei der deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) unter Mitwirkung von Chefarzt Dr. Krüger, um die organisatorischen und inhaltlichen Voraussetzungen zu erarbeiten. Das Ziel sind verbindliche Rahmenvereinbarungen, wie sie bereits für die Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIAs) bestehen.

Es muss nämlich sichergestellt werden, dass in den Ambulanzen nur Menschen behandelt werden, die sonst keine schnelle, aber notwendige, medizinische oder therapeutische Hilfe bekommen würden. D.h. hier sollen Patienten behandelt werden, die „wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung“ eine akute Behandlung brauchen, von niedergelassenen Ärzten, Psychiatern und Psychotherapeuten aber nur unzureichend oder nicht schnell genug erreicht werden.

Die Behandlung in Institutsambulanzen soll außerdem dazu dienen, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, stationäre Behandlungszeiten zu verkürzen und Behandlungsabläufe zu optimieren (PIA Vereinbarung 2010).

Es ist also nicht das Ziel von psychosomatischen Institutsambulanzen, in Konkurrenz zu ambulanten Psychiatern oder Psychotherapeuten zu treten. Das wird gesetzlich festgeschrieben werden. Es ist eher das Ziel einer neuen Ambulanz an der Psychosomatischen Abteilung in Ebersberg, eng mit den  ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Kollegen zum Wohle der Patienten zusammenzuarbeiten.

So werden wir Patienten, die einen ambulanten Therapieplatz bekommen könnten und für die eine ambulante Therapie ausreicht, nicht in unserer Ambulanz behandeln.

Dazu sind wir schon seit Monaten in regelmäßigen Diskussionen mit den entsprechenden Arbeitskreisen und Qualitätszirkeln ambulanter Psychiater und Psychotherapeuten in der Region. Diese werden wir vor dem Start unserer Institutsambulanz noch einmal schriftlich und in einer Informationsveranstaltung informieren. Und wir würden uns freuen, wenn niedergelassene Kollegen in unserer neuen Ambulanz mitarbeiten würden.

Vorteile einer psychosomatischen Ambulanz für die Patienten:

  • wenn Sie akute Hilfe benötigen,  aber keinen Therapeuten oder Psychiater finden
  • wenn wegen der Art, Dauer und Schwere Ihrer Erkrankung keine ambulante Therapie finden
  • wenn Sie in einer internistischen oder anderen somatischen Abteilung eingewiesen wurden, aber eine psychosomatische Behandlung benötigen
  • wenn Sie eine  Kombinationsbehandlung (z. B. Einzel- und Gruppentherapie) benötigen
  • wenn Sie eine Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Physiotherapie, Sozialberatung oder Kreativtherapie benötigen