Keine Zwangsbehandlung in der Psychosomatik

Am 17. Januar hat der Bundestag neue Regelungen für die Zwangsbehandlung von psychisch Kranken beschlossen.

Dies war notwendig geworden, weil der Bundesgerichtshof im letzten Sommer entschieden hat, die geltende Regelungen zur Zwangsbehandlung seien nicht zulässig, weil die rechtliche Grundlage fehle.

Die neuen Voraussetzungen legen zwar fest, dass wenn ein Patient stationär behandelt werden muss, er ausführlich aufgeklärt sein muss, daß ohne Behandlung ein erheblicher Gesiundheitsschaden droht und ein zweiter Arzt zu Rate gezogen werden muss.

Trotzdem sind diese Voraussetzungen nicht ausreichend. Die BundesPsychotherapeutenkammer kritisiert  z. B., dass „nicht alle Schutzmaßnahmen ausgeschöpft“ worden seien: Originalquelle www.bptk.de.  Zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden seien andere Maßnahmen als Zwangsmaßnahmen geeignet, z. B. eine intensive 1:1 Betreuung. Außerdem regt der BPtK an, Patienten Behandlungsvereinbarungen anzubieten, wenn sie unter wiederkehrenden psychischen Erkrankungen leiden.

Aus Psychosomatischer Sicht gibt es jedoch noch weitere Kritikpunkte:

Alle Patienten haben grundsätzlich das Recht auf Selbstbestimmung und auch auf die Verweigerung von medizinisch notwendigen Behandlungen. Alles andere ist Körperverletzung. Das wissen alle Mediziner, die Patienten untersuchen und operieren. Deshalb verwenden Mediziner, Psychosomatiker und Psychiater täglich viel Zeit auf die Aufklärung, Motivation und „Überzeugungsarbeit“ von bzw. bei Patienten.

Das sichert Vertrauen auch in die therapeutische Beziehung, sichert den Behandlungserfolg und die Compliance (d. h. die Bereitschaft und Überzeugung der Patienten, dass die Behandlung in ihrem Sinne ist und sie die empfohlenen Maßnahmen und Medikamente auch anwenden und einnehmen).

Schwierig nach der neuen gesetzlichen Regelung sind auch die Grenzbereiche, wenn Ärzte und Therapeuten den Patienten „ihren“ Willen aufzwingen und Zwangsbehandlungen ohne Gefahr für Leib und Leben durchgeführt oder aufrecht erhalten werden.

Das geschieht leider noch häufig, z. B. auch in der Behandlung von Frauen mit Magersucht (Anorexia nervosa), die mitunter gegen ihren Willen wegen der drohenden Gesundheitsfolgen behandelt werden. Das geschieht immer wieder ohne Notwendigkeit und ohne den wissenschaftlichen Nachweis einer langfristigen Besserung, immer wieder mit katastrophalen Folgen für die wirklich notwendige dauerhaft stabile Arzt-Patientenbeziehung.

Wie sollen Patienten, die Zwangsbehandlungen befürchten müssen, ihren Ärzten und Therapeuten vertrauen und den wahren Schweregrad ihrer Erkrankung mitteilen ?