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„Positives Denken macht krank“

Das war ein Buchtitel von Dr. Günter Scheich, erstmals veröffentlicht im Jahre 1997. Der Titel überrascht. Gibt es doch Hunderte von Büchern, Seminaren und Fortbildungen zum Positiven Denken„.

Alle kennen Titel, wie: „Erfolg durch positives Denken“, „die unendliche Quelle Ihrer Kraft“, „Die Macht des positiven Denkens“, „Glück ist kein Zufall“, „Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert“  und „Sorge Dich nicht – lebe!“ Eine ganze Industrie lebt davon. Immer wieder wird Menschen in schwierigen Situationen, bei schweren Erkrankungen oder Trauerfällen auch von Ärzten, Coaches und Pflegekräften geraten, „positiv zu denken“.

Doch die Wirksamkeit dieser Methode wurde nie nachgewiesen. Die amerikanische Autorin Barbara Ehrenreich setzt sich sehr vehement und kritisch mit diesem Denken auseinander. In Ihrem Buch „Smile or Die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt“  bezeichnet sie das positive Denken als Ideologie und Virus. Sie kritisiert die Auswirkungen für das Gesundheitssystem. die Wirtschaft und das Finanzsystem und macht z.B. für die Wirtschaftskrise einen typischen Realitätsverlust durch positives Denken verantwortlich.

Und es gibt wirklich zahlreiche Untersuchungen, die Frau Ehrenreich Recht geben und zeigen, dass die Auseinandersetzungen mit Problemen und kritischen Themen z.B. in Psychotherapie und Psychosomatik besser dazu geeignet sind, dass Menschen wieder gesund werden.

Das hilft besser, als sich immer wieder einzureden, alles sei gut, man müsse nur positiv denken. Ganz abgesehen von den Schuldgefühlen, die es macht, wenn das positive Denken nicht weiter hilft.

Günter Scheich unterscheidet zwischen gesundem Optimismus, der auf Fähigkeiten, Kenntnisse und richtiger Einschätzung von Situationen aufbaut. Diesen gesunden Optimismus unterscheidet er von einem „platten positiven Denken“, das als Allheilmittel gesehen wird, mit dem man alles erreichen kann. Alle „negativen“ Gedanken und Gefühle würden verteufelt und es wird so getan, als wenn diese keine Bedeutung hätten.

„Wir wissen gerade in der Psychologie, dass Trauer, Wut, Ärger, Aggressionen ganz wichtige Empfindungen sind, nicht nur zur Selbstfindung, sondern auch zur Selbstbehauptung und zur Selbstabgrenzung.“  „Es führt auch zu Depressionen, wenn Menschen in aufgesetzter Weise sagen: Ich muss gut drauf sein, ich muss positiv denken. Es tritt wie beim Stottern oder Zittern das Gegenteil von dem ein, was man will.“ (Interview, bvvp 1, 2006).

Auch eigene Erfahrungen aus unserer Tagesklinik bestätigen, dass Menschen immer kränker werden, wenn sie zwanghaft versuchen, trotz schwerer depressiver Erkrankung und massiver Problemen in Familie und am Arbeitsplatz positiv zu denken. So waren z.B. die Selbstvorwürfe und die Depressionen und das Burn out einer Führungskraft in einem großen Unternehmen durch ein Coaching immer stärker geworden. Dort hatte man versucht, ihm einzureden, er könne weiter funktionieren, wenn er „positiv denke.“ Dabei war der Mann körperlich und psychisch am Ende.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel in Zeit online zu empfehlen, der sich kritisch mit dem positiven Denken auseinandersetzt: Gute Laune auf Befehl www.zeit.de/zeit-wissen/2011/01/Denk-nicht-positiv

Lesen Sie auch den aktuellen Blog zum Thema:Positives Denken macht krank (Teil II)-Aber es gibt Hoffnung

 

Mobbing und die gesundheitlichen Folgen – Wir haben Erfahrungen damit

Viele Menschen kommen in unsere Psychosomatische Abteilung bei München mit Arbeitsplatzkonflikten. Immer mehr sind überfordert und leiden unter Burn out (siehe dazu die Beiträge in diesem Blog). Immer wieder ist aber auch Mobbing am Arbeitsplatz der Grund für die Aufnahme in unsere Station oder Tagesklinik.

Wir helfen Ihnen, mit den Folgen von Mobbing zurecht zu kommen und Arbeitsplatzkonflikte von persönlichen Konflikten zu unterscheiden; damit sie wieder in der Lage sind, gesund zu werden und Ihre berufliche Situation zu klären.

Doch was ist Mobbing eigentlich genau und woher kommt der Begriff ?

Konrad Lorenz hat den Begriff Mobbing als Erster  1963 verwendet. Er bezeichnete damit Gruppenangriffe auf einen überlegenen Feind. Der Arzt Peter Heinemann bezeichnete damit Gruppenangriffe auf eine von der Norm abweichende Person.

Die erste systematischen Forschungsergebnisse zu Mobbing stammen vom deutsch-schwedischen Arbeitspsychologen/Mediziner Heinz Leymann.

Definition: Mit Mobbing werden feindliche und unethische Verhaltensweisen, negative Kommunikation, destruktive Handlungen bis zu Isolation, persönliche Angriffe gegenüber einer Person und Ausgrenzung am Arbeitsplatz bezeichnet. Sie führen zur nachhaltigen Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit und Befindlichkeit. Das kann zu schweren Depressionen, Angstzuständen, schweren Selbstwertkrisen und zahlreichen körperlichen Beschwerden (Somatisierungsstörungen) und Suchtverhalten führen.

Die Angriffe gehen gezielt auf die sozialen Beziehungen, das soziale Ansehen, die Möglichkeit, sich mitzuteilen, auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation und auf die Gesundheit. Meist finden keine offenen Gespräche, keine Klärungen mehr statt. Stattdessen wird der Kontakt verweigert, werden die Betroffenen ausgegrenzt und gleichzeitig mit abwertenden Blicken und Gesten verunsichert und irritiert. Das kann bis zu Telefonterror, mündlichen oder schriftlichen Drohungen gehen. Außerdem werden gezielt Gerüchte gestreut und die Betroffenen lächerlich gemacht.

Neuere Untersuchungen geben die Häufigkeit von Mobbing mit 11,3% der Erwerbstätigen an (n= 4.396). Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Im Gesundheits- und Erziehungsbereich, im Öffentlichen Dienst und im Kreditgewerbe ist Mobbing am weitesten verbreitet.

Die Ursache von Mobbing liegt in den meisten Fällen in einem Konflikt, der nicht gelöst wird und unter der Oberfläche weiterschwelt. Mobbingbetroffene können Symptomträger einer kranken Organisation sein. Der Mobbingprozess kann stabilisierende Funktion für die Gruppe oder Organisation haben.

Immer wieder kommen bei Mobbing drei verschiedene negative Faktoren zusammen: Gesellschaftliche Faktoren (Arbeitsunsicherheit), betriebliche Faktoren (unklare Strukturen, schwache Führung) und persönliche Faktoren (Schwierigkeit der Betroffenen, sich zu wehren).

Zur Vermeidung von Mobbing sind klare Strukturen und transparente Organisation, offene und direkte Kommunikation und klare Kompetenzen und Zuständigkeiten notwendig.

Zu den individuellen Maßnahmen gehören die Mobilisierung von Unterstützung und Stärkung der Eigenkompetenz, die Einleitung von rechtlichen Schritten, ggf. Kündigung und, wenn notwendig, der Beginn eine Therapie, wie wir sie in unserer Abteilung anbieten.

 

 

Burn out – Trend mit ernstem Hintergrund

Im letzten Herbst wurde eine Studie über „Psychische Gesundheit im Betrieb“ veröffentlicht, die der Ausschuss für Arbeitsmedizin im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt hat. Darin wird der Anteil von Frühberentungen aufgrund von psychischen Erkrankungen mit 40 % angegeben. Diese Zahl steht im Einklang mit Erhebungen der Krankenkassen, die nachweisen, dass sich die Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben. Bei diesen Diagnosen sind die Krankschreibungen zudem länger als bei organischen, also körperlichen Erkrankungen.

Wochenzeitschriften wie Spiegel, Fokus, Stern berichteten schon von der „Generation Burn out„. Untersuchungen der AOK ergeben 130.000 Menschen, die 2012 wegen eines Burn out-Syndroms krankgeschrieben wurden. Eine Analyse des Robert Koch-Instituts (DEGS 2012) spricht von 2,6 % bis 5,8 % der Bevölkerung. Dabei wird die Diagnose „Burnout“ von vielen Psychiatern durchaus kritisch gesehen. Ist Burn out eine „Modediagnose“?

Die Fragestellung ist äußerst komplex. Zwar ist das Burnout-Syndrom in der Tat keine anerkannte einheitliche Krankheitsdiagnose, andererseits kann man damit aber Krankheitsbilder beschreiben, die zum großen Teil behandlungsbedürftig sind. Viele  Patienten kommen mit Burnout-Symptomen zu uns in das ausführliche Vorgespräch, welches wir obligatorisch vor einer Aufnahme auf Station oder in die psychosomatische Tagesklinik führen.

Was also ist mit dieser Diagnose gemeint und warum greift sie so um sich? Zunächst einmal: Unter einem Burn out-Syndrom leiden Menschen, die körperlich und psychisch erschöpft und ausgebrannt sind. Medizinisch liegen diesem Syndrom Depressionen unterschiedlichen Schweregrades sowie Somatisierungsstörungen zugrunde. Bei letzteren entstehen Schmerzen, obwohl sich weder am Herzen, noch an der Bandscheibe, noch dem Verdauungstrakt oder sonstigen Organen körperliche Erkrankungen oder Veränderungen zeigen.

Zahlreiche Untersuchungen weisen inzwischen nach, dass den im Burn out-Syndrom zusammengefassten Erkrankungen sowohl allgemeingesellschaftliche als auch betriebliche Ursachen sowie viele individuelle Faktoren zugrunde liegen.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beziehen sich auf zunehmende Arbeitsunsicherheit, den immer größer werdenden Anteil von Menschen, die ihre Arbeitsverhältnisse als schwierig erleben und auf sich ständig beschleunigende Prozesse durch Automaten, Internet und permanente Kommunikationsbereitschaft mittels Mobiltelefon und E-Mail.

Bei den betrieblichen Ursachen spielen zum Beispiel Zusammenlegungen und Vergrößerungen von Firmen, die Schließung oder Verlagerung von Standorten und Arbeitsunsicherheit durch Kündigungswellen eine Rolle.

Individuelle Ursachen finden sich bei Menschen, die sich zum Teil ihr Leben lang für andere aufgeopfert haben, die Privates schlecht vom Beruflichen trennen können und teilweise schon in Kindheit und Jugend in eine Helferrolle hineingewachsen sind.

Dementsprechend finden sich beim Burnout-Syndrom typische Berufsgruppen wie Führungskräfte, Freiberufliche und Kreative sowie Menschen in sozialen Berufen. Auch Frauen und Männer in Familien, die sich um Haus und Hof, die Familie, die Kinder, um kranke und pflegebedürftige Eltern oder Schwiegereltern sorgen, sind oft betroffen.

Ziel der psychosomatischen Therapie ist, zunächst die depressive Erschöpfung zu behandeln und den Patienten bei der alternativen Lebensgestaltung zu unterstützen. Dazu gehört der schwierige Prozess, sich mehr abzugrenzen, mehr für sich selbst zu sorgen und an manchen Stellen auch „Nein“ zu sagen.

Wenn sich unsere Patienten nach der Behandlung wieder eigenständig für organisatorische Verbesserungen in ihrem Leben einsetzen, für besseres Zeitmanagement oder für Veränderungen im Beruf, dann hat sich unsere Arbeit gelohnt.