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Psychische Gesundheit und Vorbelastungen

In dieser Woche wurde eine Studie der Technischen Universität Dresden zu den Risikofaktoren für psychische Störungen bei Soldaten veröffentlicht. Diese Studie ist deshalb interessant, weil sie zeigt, dass es nicht reicht, nur akute Symptome zu untersuchen und zu behandeln.

Das hatten wir auch schon in einem Blog-Beitrag im Juli beschrieben: „Burnout und Narzissmus- Warum es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln“.

Die Studie von Wittchen, dem Leiter des Instituts für klinische Psychologie an der TU Dresden, ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht alle Menschen gleich stark auf die gleichen Belastungen reagieren. Die Studie mit 2500 Bundeswehrsoldaten belegt, dass jeder fünfte Soldat schon mit einer psychischen „Störung“ in den Auslandseinsatz geht. Dabei handelte es sich unter anderem um nicht erkannte oder nicht behandelte Depressionen, Angsterkrankungen und Alkoholprobleme. Die belastete Gruppe unter den Soldaten hatte ein erhöhtes Risiko, durch den Auslandseinsatz an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, zu erkranken.

Wittchen betont im Interview mit der SZ den herausragenden Stellenwert, den psychische Vorerkrankungen für die Frage haben, ob Soldaten durch den Einsatz psychisch geschädigt werden.

Und aus der Sicht des aufmerksamen Lesers ist erschreckend, dass diese psychische Vor-Belastung nicht erkannt oder diagnostiziert wurde.

Noch schlimmer ist, dass die Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, bei keinem der Soldaten erkannt oder behandelt worden war.

Aus therapeutischer Sicht wird durch diese Untersuchung noch einmal klar, dass unser aller Reaktion auf schwere und schwerste Belastungen davon abhängt, wie unsere Widerstandskraft oder Resilienz is – anders ausgedrückt – wie wir gelernt haben, mit psychischen Belastungen umzugehen.

Vereinfacht gesagt: Menschen, die schon immer ängstlich waren und wenig gelernt haben, mit Ängsten umzugehen, reagieren natürlich in einer angstauslösenden Situation mit vermehrter Angst und Angsterkrankungen. Sie haben – so die Sprache der Studie – eine psychische Vorbelastung oder psychische Vorerkrankung, die ihr Risiko erhöht, eine psychische Erkrankung zu bekommen. Das gilt genauso für Selbstwertprobleme und Narzisstische Krisen, für Depressionen und Suchterkrankungen.

Deshalb haben wir geschrieben, dass es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln, sondern dass es dringend notwendig ist, nach den psychischen Ursachen, die großteils unbewusst sind, zu suchen.

Das ist damit gemeint, wenn wir von einer psychoanalytisch begründeten Therapie sprechen.

Von der Selbstoptimierung zum Hirndoping?

Chronische Belastungen und chronischer Stress machen krank, wie viele Studien und auch mehrere Beiträge in diesem Blog belegen. Um leistungsfähig zu bleiben oder die „Performance“ noch zu steigern, greifen jedoch immer mehr Menschen in Studium und Beruf zu Medikamenten.

Nach Umfragen der Krankenkassen geben 5% der Erwerbstätigen und Studenten an, schon einmal Medikamente zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Das belegt auch eine Studie der Universität Bielefeld mit 3486 Studenten. Der SPIEGEL berichtete im Januar 2013 von 20% der Studenten, die Hirndoping betreiben. In Untersuchungen aus den USA wird die Häufigkeit von Medikamenten zur Leistungssteigerung ebenfalls mit 20% unter Studenten angegeben.

Im Projekt FAIRUSE der Soziologischen Fakultät Bielefeld wird versucht, Studienbedingungen zu schaffen, die Hirndoping und andere Praktiken nicht notwendig machen.

Menschen, die Medikamente zum  Hirndoping einsetzen, versuchen in der Regel, wacher, konzentrierter und leistungsfähiger zu sein, aber auch Ängste abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.

Bei  den Substanzen, die eingenommen werden, handelt es sich in erster Linie um Amphetamine, deren Verwandte (z.B. Methylphenidat: Ritalin*) und weitere illegale Drogen.  Für nähere Informationen zu den Medikamenten verweisen wir auf die Website der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

Die Nebenwirkungen sind nicht harmlos: zu zahlreichen körperlichen Beschwerden (Kopfschmerzen, Unruhe, Schlafstörungen, Atemnot, Herzprobleme Blutdruckschwankungen, Vergiftungserscheinungen) kommen eine ganze Reihe von psychischen Problemen und Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Burnout, plötzliche aggressive Ausbrüche und Verfolgungswahn) und nicht zuletzt die Abhängigkeit von den Doping-Mitteln.

Besonders anfällig für Hirndoping sind Menschen, für die nur Leistungen zählen. Oft haben sie immer wieder die Erfahrung gemacht, nur über ihre Leistungen wahrgenommen zu werden. Immer wieder werden so auch Unsicherheiten und Ängste mit Leistungssteigerung überspielt.

Eine ähnliche Dynamik habe ich vor einigen Wochen bei dem Thema Selbstoptimierung unter der Überschrift: „Schöner,schlanker und gesünder. Wozu dient die Selbstoptimierung“ beschrieben.

Der regelmäßige Gebrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung führt aber unweigerlich zu einer Spirale, die die Betroffenen irgendwann nicht mehr aufhalten können. Manche müssen auch die Erfahrung machen, dass die erbrachten Leistungen nie genug sind und sie nie zur Ruhe und Zufriedenheit kommen. Dann hetzen diese „Leistungsträger“ von Erfolg zu Erfolg. Doch sie können diese Erfolge immer weniger geniessen, sondern müssen immer weiter, immer höher. So stellt sich eine Sucht nach Erfolg ein, der allein schon lange nicht mehr befriedigt.

Machmal ist eine Erkrankung für die Betroffenen der einzige Ausstieg ohne Gesichtsverlust aus diesem Kreislauf . Denn auch der Ausstieg aus der Leistungsspirale macht Angst. Gut, wenn bis dahin niemand zu schaden gekommen ist (z.B. durch Verletzungen, Unfälle oder Risikoverhalten).

Spätestens dann sind aber professionelle Unterstützung, Beratung und Therapie notwendig.

Manchmal muss vor eine Psychotherapie erst ein körperlicher Entzug  gemacht werden.

Langfristig kommen die Betroffen aber nur zurecht, wenn sie ihre Leistungsideale in Frage stellen und sich klar machen, was sie mit Leistung und Erfolg kompensieren wollten. Dann ist nicht nur eine Verhaltensänderung, sondern auch eine Veränderungen der Einstellungen möglich. Das geht in der Regel nur mit einfühlsamer, professioneller Therapie z.B. in einer Psychosomatischen Behandlung.

Chronischer Stress macht krank !

11% der 18 bis 64-Jährigen in Deutschland erleben chronischen Stress. Frauen geben mit 13,9% häufiger eine überdurchschnittliche Belastung an als Männer mit 8,2%.“ das beschreibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Website unter der Überschrift: Zahl des Monats !

Vor kurzem hatten wir über Beiträge der AZ und TKK zu Stress berichtet. Heute wollen wir ausführlicher über Chronischen Stress, die Auswirkung auf die psychische Gesundheit und die Möglichkeiten und den Nutzen von Behandlungen schreiben.

In der Arbeit des Robert-Koch-Instituts heisst es: akuter Stress ist eine normale Reaktion auf verschiedene Reize und Belastungen. „Chronischer Stress hat jedoch Effekte auf den Stoffwechsel, das Immun- und Herz-Kreislaufsystem und beeinträchtigt die Schlafregulierung, Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse. Stress scheint auch ein Faktor beim Entstehen und Fortschreiten von psychischen Auffälligkeiten und Störungen zu sein.“ (ebenda)

Umfangreiche Analysen belegen, dass Psychosozialer Dauerstress hohe Risiken für stressbedingte chronische Veränderungen mit sich bringt, die mit Blick auf das Immunsystem wie vorzeitige Alterungsprozesse wirken.

Eine Studie über zehn Jahre an 5793 Menschen konnte nachweisen, dass chronischer Stress zu vermehrten Schlafstörungen, Depressionen und Symptomen eines Burnout-Syndroms führt. Mehr als jeder zweite Erwachsene mit aktueller depressiver Symptomatik fühlt sich durch chronischen Stress stark belastet (53,7%).

Dabei ist eine starke Belastung besonders häufig, wenn es nur geringe soziale Unterstützung gibt.

Diese Symptome und Erkrankungen nehmen mit steigender Stressbelastung zu, wie folgende Graphik zeigt.

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Sind wir alle nur noch gestresst ?

Die AZ München macht Stress zum Titel-Thema und beruft sich auf eine Studie der TKK zu Stress mit Ursachen, Auswirkungen und Maßnahmen zur Selbsthilfe: Stress? neue Studie: Was und wer uns in Bayern nervt. Doch ist es so einfach ?

Wer sich die Studie anschaut (siehe Informationen in diesem Blog), merkt schnell, dass hier ein ganz einfaches Stress-Modell zu Grund gelegt wird und man den Eindruck bekommt, man müsse nur die Tipps befolgen, dann wäre der Stress gebannt.

Wenn das so einfach wäre, bräuchten Tausende von Arbeitnehmern und viele Betroffene nur diese Broschüre der TKK lesen und anwenden und viele ambulante Psychotherapien und psychosomatische Krankenhausbehandlungen wären überflüssig.

Doch auch hier ist das Problem komplexer und das Wissen über Stressoren ist noch nicht die Lösung. Genauso wenig hilft Wissen über gesunde Ernährung zu einem gesunden Essverhalten. Auch das Wissen über die schädliche Wirkung von Nikotin macht aus Rauchern noch keine Nichtraucher……

Hilfreich und etwas ausführlicher ist eine neue Studie der Robert-Koch-Instituts zu chronischem Stress.

Darüber und über den Nutzen und die Notwendigkeit von professioneller Unterstützung und Behandlung wie in unserer Psychosomatik bei München erfahren Sie mehr in einem neuen Blog-Beitrag.

 

Männergesundheit – Leiden Männer anders ?

Woher kommen Geschlechtsunterschiede bei Diagnosen? Das ist eine Fragestellung bei der Woche für Seelische Gesundheit u.a. in München und einer neuen Studie des Robert Koch-Instituts in Berlin. Bei der Veranstaltung heißt es etwas vereinfacht, seelische Erkrankungen  bei Männern blieben oft unerkannt, sie seien aber genauso häufig wie bei Frauen. Doch ist das wirklich so?

Zahlen des Robert Koch-Instituts aus den Jahren 2008 bis 2011 belegen, dass 8,1 % der Frauen und 3,8 % der Männer innerhalb eines Jahres neu an einer Depression erkranken (12-Monats-Prävalenz). Wie in allen anderen, auch internationalen Studien der letzten Jahre sind Frauen ungefähr doppelt so häufig von einer Depression betroffen, oder besser: von einer Depressions-Diagnose betroffen.

Die folgende Tabelle zeigt, dass Frauen in allen Altersgruppen häufiger betroffen sind,dass die Häufigkeit im Alter zunimmt und v. a. Männer im Osten mehr als im Westen Deutschlands betroffen sind:

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In der Studie werden ausführlich die möglichen Ursachen diskutiert: Gibt es wirklich boiologische Unterschiede, sind die Unterschiede künstlich (also Artefakte) oder haben sie mit der wirtschaftlichen oder psychosozialen Lage von vielen Frauen zu tun?

Frauen erhalten häufiger die Diagnose Depression als Männer

Interessant bei diesen Ergebnissen ist die Frage, warum eine Diagnose bei Frauen häufiger diagnostiziert wird? Und welche Erkrankungen werden stattdessen bei Männern diagnostiziert ?

Die Studie des Robert Koch-Instituts stellt dazu einige interessante Hypothesen (Vermutungen) auf: Könnte es sein, dass bei Männern andere Symptome auftreten, die evt. nicht zur Diagnose einer Depression führen? In einer Studie wurde z. B. festgestellt, dass bei Männern häufig „innere Unruhe“, „Irritabilität“ und „Aggressivität“ und „antisoziales Verhalten“ diagnostiziert wird (Möller-Leimkühler, 2004).

Ich würde noch weiter gehen: Meine eigenen Erfahrungen aus über mehr als dreißig Jahren Tätigkeit als Arzt und Therapeut zeigen immer wieder, dass bei Männern häufiger über viele Jahre unspezifische körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Rückenschmerzen, Herzbeschwerden diagnostiziert werden.

Das liegt sicher an vielen Ursachen. Vielleicht aber auch daran, dass es für Männer immer noch ungemein schwieriger ist, sich einzugestehen, dass sie mit einer Situation überfordert sind und daran möglicherweise psychisch erkrankt sind. Das passt so gar nicht in die Vorstellung von Männlichkeit  in unserer Gesellschaft.

Interessant wäre auch eine Untersuchung, ob Ärzte bei Männern häufiger ein Burn Out diagnostizieren und bei Frauen häufiger eine Depression. Das hätte auch etwas mit den Diagnose-Stellung der Ärzte zu tun, die zu zwei Dritteln männlich sind (Im Jahre 2012 waren 84.912 ambulante Ärzte Männer und  59.148 ambulante Ärztinnen tätig, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, online)