Im letzten Herbst wurde eine Studie über „Psychische Gesundheit im Betrieb“ veröffentlicht, die der Ausschuss für Arbeitsmedizin im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt hat. Darin wird der Anteil von Frühberentungen aufgrund von psychischen Erkrankungen mit 40 % angegeben. Diese Zahl steht im Einklang mit Erhebungen der Krankenkassen, die nachweisen, dass sich die Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben. Bei diesen Diagnosen sind die Krankschreibungen zudem länger als bei organischen, also körperlichen Erkrankungen.
Wochenzeitschriften wie Spiegel, Fokus, Stern berichteten schon von der „Generation Burn out„. Untersuchungen der AOK ergeben 130.000 Menschen, die 2012 wegen eines Burn out-Syndroms krankgeschrieben wurden. Eine Analyse des Robert Koch-Instituts (DEGS 2012) spricht von 2,6 % bis 5,8 % der Bevölkerung. Dabei wird die Diagnose „Burnout“ von vielen Psychiatern durchaus kritisch gesehen. Ist Burn out eine „Modediagnose“?
Die Fragestellung ist äußerst komplex. Zwar ist das Burnout-Syndrom in der Tat keine anerkannte einheitliche Krankheitsdiagnose, andererseits kann man damit aber Krankheitsbilder beschreiben, die zum großen Teil behandlungsbedürftig sind. Viele Patienten kommen mit Burnout-Symptomen zu uns in das ausführliche Vorgespräch, welches wir obligatorisch vor einer Aufnahme auf Station oder in die psychosomatische Tagesklinik führen.
Was also ist mit dieser Diagnose gemeint und warum greift sie so um sich? Zunächst einmal: Unter einem Burn out-Syndrom leiden Menschen, die körperlich und psychisch erschöpft und ausgebrannt sind. Medizinisch liegen diesem Syndrom Depressionen unterschiedlichen Schweregrades sowie Somatisierungsstörungen zugrunde. Bei letzteren entstehen Schmerzen, obwohl sich weder am Herzen, noch an der Bandscheibe, noch dem Verdauungstrakt oder sonstigen Organen körperliche Erkrankungen oder Veränderungen zeigen.
Zahlreiche Untersuchungen weisen inzwischen nach, dass den im Burn out-Syndrom zusammengefassten Erkrankungen sowohl allgemeingesellschaftliche als auch betriebliche Ursachen sowie viele individuelle Faktoren zugrunde liegen.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beziehen sich auf zunehmende Arbeitsunsicherheit, den immer größer werdenden Anteil von Menschen, die ihre Arbeitsverhältnisse als schwierig erleben und auf sich ständig beschleunigende Prozesse durch Automaten, Internet und permanente Kommunikationsbereitschaft mittels Mobiltelefon und E-Mail.
Bei den betrieblichen Ursachen spielen zum Beispiel Zusammenlegungen und Vergrößerungen von Firmen, die Schließung oder Verlagerung von Standorten und Arbeitsunsicherheit durch Kündigungswellen eine Rolle.
Individuelle Ursachen finden sich bei Menschen, die sich zum Teil ihr Leben lang für andere aufgeopfert haben, die Privates schlecht vom Beruflichen trennen können und teilweise schon in Kindheit und Jugend in eine Helferrolle hineingewachsen sind.
Dementsprechend finden sich beim Burnout-Syndrom typische Berufsgruppen wie Führungskräfte, Freiberufliche und Kreative sowie Menschen in sozialen Berufen. Auch Frauen und Männer in Familien, die sich um Haus und Hof, die Familie, die Kinder, um kranke und pflegebedürftige Eltern oder Schwiegereltern sorgen, sind oft betroffen.
Ziel der psychosomatischen Therapie ist, zunächst die depressive Erschöpfung zu behandeln und den Patienten bei der alternativen Lebensgestaltung zu unterstützen. Dazu gehört der schwierige Prozess, sich mehr abzugrenzen, mehr für sich selbst zu sorgen und an manchen Stellen auch „Nein“ zu sagen.
Wenn sich unsere Patienten nach der Behandlung wieder eigenständig für organisatorische Verbesserungen in ihrem Leben einsetzen, für besseres Zeitmanagement oder für Veränderungen im Beruf, dann hat sich unsere Arbeit gelohnt.