Wem nützt Online – Therapie ?
Immer mehr Menschen suchen Informationen, Hilfen und Beratungen im Internet. Auch über Behandlungen und Therapien bei psychischen Problemen und Therapien gibt es Tausende von Seiten.
Der neuste Trend heisst Online-Therapie.
Bei der Google-Suche erscheinen zu Online-Therapie ca.44.000 Einträge und immer mehr Anbieter werben mit Online Angeboten für Patienten.
- Doch was ist dran an dem neuen Trend ?
- Was ist Online Therapie ?
- Nützt sie überhaupt ?
- Wem hilft sie ?
- Wie ist die Qualität und was unterscheidet Online Therapie von einer „herkömmlichen“ Psychotherapie ?
Sie dazu auch den Beitrag vom 8.5.15 in diesem Blog.
Was ist Psychotherapie ?
Mit Psychotherapie behandeln Experten psychische Erkrankungen.
Dazu muss zu allererst untersucht werden, ob überhaupt eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung vorliegt.
Es muss der Schweregrad der psychischen Problematik festgestellt und geklärt werden, ob überhaupt eine Psychotherapie notwendig ist und welches Therapieverfahren das richtige ist.
Dazu müssen die Experten besonders qualifiziert sein und ein wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren gelernt haben (Psychotherapie-Richtlinie des GBA).
In Deutschland ist die Diagnostik und Behandlung nur Fachärzten und Psychologischen Psychotherapeuten und erlaubt.
Um eine Psychotherapie auf Kosten der Krankenkassen abrechnen zu können müssen Psychologinnen und Psychologen, ebenso wie Ärzte, eine Therapieausbildung in einem anerkannten Psychotherapieverfahren gemacht und mit Prüfung abgeschlossen haben. Sie dürfen sich dann psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten nennen.
Die Therapieverfahren müssen ihre Wirksamkeit in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen haben („Richtlinienpsychotherapie“). Darüber wacht z.B. der Gemeinsame Bundesausschuss.
Diese hat z.B. bisher nur die kognitive Verhaltenstherapie und die psychoanalytisch begründeten Psychotherapien (tiefenpsychologische und psychoanalytische Psychotherapie) als wirksam anerkannt.
Was ist Online-Therapie?
Therapie mittels Video wird von unterschiedlichen Anbietern zu ganz unterschiedlichen Konditionen angeboten.
Es wird als einfach, bequem und jederzeit anwendbar beschrieben.
Für die Menschen soll dadurch das Aufsuchen einer Therapeutin oder eines Therapeuten überflüssig gemacht werden.
Auch ein großer Klinik-Betreiber bietet Online-Therapie, allerdings nur nach einem vorherigen Gespräch in einer Klinik, an.
Wirkt Online Therapie überhaupt ?
Die Ergebnisse auf die sich Anbieter von Online-Therapie berufen sind dünn. So beruft sich die Techniker Krankenkasse auf eine Untersuchung an ca. 1000 Versicherten mit einer „mittelschweren Depression“.
Diese Gruppe sei mit Online Therapie behandelt worden.
Nach der Online-Therapie seien keine behandlungsbedürftigen Symptome mehr nachweisbar gewesen.
Dabei werden jedoch keine Angaben zur Diagnostik, zur Qualifikation der Behandler, zum Therapieverfahren gemacht.
Auch sonst findet sich keine Untersuchung die wissenschaftlichen Kriterien standhält: es gibt keine Kontrollgruppen, Keine Aussagen zu Begleiterkrankungen oder Ursachen, keine Angaben über die Häufigkeit und Dauer der Therapie , keine Angaben über Nebendiagnosen und Schweregrad der Erkrankung.
Und v.a. gibt es keine Angaben zur Qualifikation der Behandler.
Wem nützt Online-Therapie ?
Online-Therapie ist modern !
Aber bei der Recherche zu diesem Thema entsteht der Eindruck, dass viele Online-Therapie anbieten, ohne dafür die notwenige Qualifikation zu haben (s.o.).
Das heisst dass sie keine Ausbildung zum ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten haben Anerkennung als Therapeut oder kein wissenschaftlich anerkanntes Therapieverfahren anwenden.
So werden in einem ZEIT-Artikel Anbieter von Online-Therapie beschrieben, die keine Angaben zu ihrer Therapieausbildung machen (und möglicherweise deshalb gerade auf diesem noch freien Markt aktiv sind).
Online Therapie ist außerdem v.a. für die Akteure im Gesundheitswesen interessant, die Kosten im Gesundheitswesen sparen wollen.
Deshalb verwundert es nicht, dass Krankenkassen an dieser Form der Behandlung besonderes Interesse haben.
Unterschiede zu herkömmlichen Therapien !
Psychotherapie hat Veränderungen und Verbesserungen von Symptomen zum Ziel. Dabei geht es nicht nur um Verhaltensänderungen, sondern auch darum, neue korrigierende Erfahrungen im Umgang mit Gefühlen, Einstellungen und Beziehungen zu machen.
Dazu sind direkte, physische therapeutische Beziehungen unverzichtbar.
Menschen lernen den Umgang mit Gefühlen und Affekten durch Beziehungen, auch durch therapeutische Beziehungen.
Dazu ist jeder darauf angewiesen, einen Kontakt aufzubauen, sich kennen zu lernen. Es geht ja nicht nur um Ratschläge, Vorschläge und Anweisungen. Therapien unterscheiden sich von Schulungen und Lernprogrammen.
Doch das geht nur durch einen therapeutischen Prozess, in dem es um mehr als sie gesprochenen Wort geht.
Auch die Haltung, die Pausen, der Blick sind wichtig.
Kein Blickkontakt mehr !
Und der Philosoph Byung-Chul Han hat darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen sich bei Online Kontakt (Skype et. al.) nicht mehr anschauen !
Der Blickkontakt ist bei Online-Therapie nicht mehr möglich !
Und wir wissen von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Bindungsforschung und aus zahlreichen Studien mit Babybeobachtungen, dass der Augenkontakt die entscheidende Versicherung im Kontakt mit dem Gegenüber, der Bezugsperson ist.
Schon Winnicott sprach vom „Glanz im Auge der Mutter“ im Kontakt zwischen Mutter und Kind.
Zusammenfassung
Wenn Psychotherapie helfen soll, Beschwerden, Krankheiten, Konflikte und Probleme zu behandeln, sind der direkte Kontakt und die unmittelbare Beziehung – face to face – notwendig.
Das kann Online-Therapie nicht ersetzen.
So gesehen, ist auch der Begriff irreführend: es sollte Onlineberatung oder Nachsorge heissen.
P.S. Zu Fragen des Datenschutzes und der ärztlich/therapeutischen Schweigepflicht sollen hier keine Angaben gemacht werden. Auch hier ist Vorsicht geboten !