Ayurveda und Psychische Gesundheit
In diesem Jahr sind Freunde von mir zu einer Ayurveda Behandlung in Deutschland und in Indien gefahren.
Und mir stellt sich die Frage: Was macht Ayurvedische Medizin für so viele Menschen interessant und kann Ayurveda Psychische Erkrankungen heilen?
Ayurveda ist mehr als eine alternative Medizin, sondern eingebunden in eine mehr als 3000 Jahre alte indische Philosophie, Menschheitslehre und Heilkunde, die einen sehr umfassenen Gesundheitsbegriff geprägt hat.
V.a. der ganzheitliche (holistische) Ansatz, das breite Therapiespektrum, bei dem körperliche, psychische Aspekte, die Ernährung, Lebenshygiene, eine sehr differenzierte Planzenheilkunde mit über 500 „Heilpflanzen“ machen Ayurveda und die traditionelle ayurvedische Medizin für viele Menschen interessant.
Das Yoga zu Ayurveda dazugehört, erhöht seinen Reiz noch zusätzlich.
Der umfassende Ansatz wird schon im alten ayurvedischen Textbuch aus dem 6. Jahrhundert vor Christus deutlich: „Der Mensch wird gesund genannt, dessen Körper, Stoffwechsel und Verdauung normal und ausgewogen funktionieren und dessen Sinne, Geist und Seele sich im Zustand äusserer Harmonie und inneren Glücks befinden.“ (Zitiert nach Ruscher, 2001).
Das klingt wie der Gesundheitsbegriff der WHO, die Gesundheit als Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens definiert hat.
Dieser umfassende Begriff von menschlicher Gesundheit ist der „westlichen“ Medizin, der Medizin in den industrialisierten Ländern verloren gegangen. Hier werden v.a. körperliche Akutkrankheiten behandelt und der Mensch und seine Lebensumstände und Konflikte vergessen. Das ist sicher einer der wichtigsten Gründe dafür, dass sich Menschen den alternativen, Jahrhunderte alten Heilmethoden zuwenden
Eine sehr empfehlenswerte Beschreibung lieferte 2001 Dr. Ruscher unter dem Titel “ Auftrag zum Heilen im Osten und Vermarktung im Westen.“
Hier, wie an vielen anderen Stellen wird deutlich, dass sich die Ayurvedische Medizin, die in Indien bis heute die wichtigste Versorgung für die Menschen darstellt, die keinen Zugang zu westlicher Medizin haben, im Westen oft sinnentleert vermarktet und zu Wellness-Zwecken verwandt wird.
Problematisch wird die Diskussion um die ayurvedische Medizin, wenn der Ansatz der evidenzbasierten Medizin an ein Gesundheitssystem angelegt wird, Dias viel zu komplex ist, um sich auf den nachgewiesenen, wissenschaftlichen Nutzen reduzieren zu lassen.
So wurde der ayurvedischen Medizin von der Stiftung Warentest jeder Nachweis einer Wirksamkeit abgesprochen, was zu heftigen Debatten auch im Netz bis zu juristischen Auseinandersetzungen geführt hat.
Dabei wurde nicht an Polemik gespart: von „Wellness-Jüngern“ und „Heiligen“ ist die Rede.
Doch das wird denjenigen, die Ayurveda nicht nur zur Wellness und für einen schönen Urlaub verwenden, sondern Antworten auf drängende Fragen suchen oder zur Behandlung von Krankheiten nach Ayurveda schauen, nicht gerecht.
Aus Psychosomatischer Sicht erscheint es wichtig, die richtige und optimale Behandlung für individuelle Krankheiten und Probleme zu finden Und dabei natürlich den „ganzen Menschen“ mit seinen körperlichen, psychischen und sozialen Problemen und Konflikten zu betrachten.
Dieser Ansatz ist dem der ayurvedischen Medizin, wie beschrieben, ähnlich.
Und dabei sollte jeder Mensch natürlich nach ausführlicher Information selbst entscheiden, welche Unterstützung und Behandlung er/sie sucht.
Aber wenn es nachgewiesene, erfolgreiche Behandlungen für bestimmte Erkrankungen gibt, sollten Menschen darüber informiert werden. Damit sie sich nicht aus weltanschaulichen Gründen für eine Behandlung entscheiden, die sie überzeugt, für die aber der spezielle Nutzen für die entsprechende Krankheit nicht nachgewiesen worden ist.
Denn wenn einer Erkrankung ein spezifischer Konflikt zugrunde liegt, kann in der Regel nur Psychotherapie und Psychosomatik helfen, mit diesen Konflikten besser zurecht zu kommen.
Ich denke dabei z.B. an Konflikte am Arbeitsplatz, die zu einem Burnout führen, oder an Trennungen, die zu Depressionen führen, usw.
Und mit dem Versuch, die verschiedenen Sprachen unter einen Hut zu bringen: um die drei Doshas (Vata, Pitta und Kapha) wieder in das biologische Gleichgewicht zu bringen, hilft in solchen Fällen Psychotherapie besser als ayurvedische Massnahmen.
Diese Informationen hatte z.B. eine ehemalige Patientin von mir offensichtlich nicht, als sie sich zur Behandlung ihrer Bulimie in einer Ayurvedischen Klinik in Indien entschied. Bei der Untersuchung wurde nämlich deutlich, dass der Erkrankung massive familiäre Konflikte und, nach zahlreichen Traumatisierungen, eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung zu Grunde lagen.
D.h. aber auch, dass die Behandlung einer Depression, von Burnout oder anderen Psychischen Erkrankungen mit Ayurveda, für die im Ayurveda-Portal geworben wird, ohne exakte Untersuchung und Diagnostik nicht dem Stand des medizinischen Wissens und den Standards der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinien entspricht.
D.h. für Patienten mit diesen Erkrankungen, dass sie zusätzlich zur Ayurvedischen Diagnostik eine medizinisch/psychotherapeutische Diagnostik in Anspruch nehmen sollten, bevor sie sich für eine Behandlung entscheiden.