Kinder-Coaching statt Psychotherapie ?

Am letzten Sonntag hat mich ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung geärgert  (S. 55, Nr. 14, 7.4.13): Am Beispiel eines Mädchens in einer schweren psychischen Krise wurde unkritisch und irreführend für Coaching von Kindern geworben.

Es wurde ein „total verschüchtertes“ Mädchen beschrieben, dass wegen Mobbing unter Angstzuständen litt, wohl traumatisiert war und die Schule wechseln musste. Weil sie mit einer Psychotherapeutin nicht zurecht kam, war sie mit ihrer Mutter zu einem Coach, einer ehemaligen Lehrerin, gegangen. Dort lernte sie mehr Selbstwahrnehmung, Selbstbewußtsein (?), machte Rollenspiele und NLP (eine Psychotherapie-Methode).

In dem Artikel wird die Mutter mit den Worten zitiert: „Aber eine Therapie hat gleich diesen Psycho-Touch.“ An einer anderen Stelle heißt es kritisch:“Und wo die Grenzen liegen zwischen kleinem Anschub und Optimierungszwang, dem sorglosen und dem makellosen Kind…“ Aber ganz gefährlich wird es bei der Formulierung: „Da es keine Qualifikationsnormen gebe, müssten sich die  Eltern wohl „auf ihr Bauchgefühl verlassen. “

Auch wenn wir das Kind nicht kennen, sind aber Zweifel angebracht, ob der weibliche Coach die richtige Hilfe oder Behandlung anbietet oder ob die Probleme durch diese Form der Beratung nur verschlimmert werden.

Zum grundsätzlichen Verhältnis von Coaching und Psychotherapie sind einige Ausführungen notwendig. Außerdem möchte ich auf das sehr fundierte Buch von Grimmer, B. und Neukom, M.: „Coaching und Psychotherapie“ (VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009) hinweisen.

Im Coaching-Alltag wird von Coaches, Klienten oder Verantwortlichen in Personalabteilungen immer wieder darauf hingewiesen, dass eindeutig zwischen Coaching und Psychotherapie unterschieden werden könne. Doch so einfach ist es nicht.

Es gibt nämlich viele Gemeinsamkeiten bei den beiden Disziplinen: bei beiden Verfahren geht es um Menschen in Krisen. Auch beim Coaching werden Methoden aus der Psychotherapie verwandt, immer geht es um emotionale Konflikte mit Bezugspersonen.

Dabei liegt  der Schwerpunkt der Beratung (Coaching) auf Schwierigkeiten, Problemen und Konflikten von Menschen in ihrer beruflichen Rolle und Funktion, der Schwerpunkt der Psychotherapie liegt in individuellen, persönlichen Problemen und Konflikten (oft mit Bezugspersonen im privaten oder beruflichen Umfeld). Oft wirkt es so, als würden sich Coach und Psychotherapeut von verschiedenen Seiten den gleichen Problemen und Konflikten nähern.

Trotzdem wird in Firmen fast ausschließlich Coaching, ggf. Führungskräfte-Coaching empfohlen, selbst wenn dieses wegen etwaiger Leistungsdefizite von Mitarbeitern empfohlen wird. Individuelle Schwächen sind tabu und Psychotherapie ist mit psychischer Erkrankung assoziiert (s.o.), und es wird unterstellt, dass ein psychisch Kranker als Leistungsträger ausfällt.

Diese Stigmatisierung der Psychotherapie kann dazu führen, dass Coaching empfohlen wird, wo Therapie angezeigt ist, beschreibt B. West-Leuer in der Einleitung zum oben genannten Buch.

D.h. aber für die Entscheidung von Betroffenen, dass sie sich bei der Entscheidung zwischen Coaching und Psychotherapie gut beraten lassen. Ein Coach sollte das Therapieverfahren, dass er anwendet, gut gelernt haben.

Zu empfehlen ist unbedingt eine fundierte psychotherapeutische Ausbildung bei einem anerkannten Ausbildungsinstitut. Betroffene können sich ausserdem auf den Internetseiten der Coaching-Verbaände informieren, ob ein Coach die entsprechenden Qualitätskriterien erfüllt (z.B. Coaching-Report, DBVC).

Und in jedem Fall: holen Sie sich eine professionelle Zweitmeinung (z.B. in unserer Psychosomatischen Abteilung bei München) und verlassen Sie sich nicht auf Ihr Bauch-Gefühl.

Mobbing und die gesundheitlichen Folgen – Wir haben Erfahrungen damit

Viele Menschen kommen in unsere Psychosomatische Abteilung bei München mit Arbeitsplatzkonflikten. Immer mehr sind überfordert und leiden unter Burn out (siehe dazu die Beiträge in diesem Blog). Immer wieder ist aber auch Mobbing am Arbeitsplatz der Grund für die Aufnahme in unsere Station oder Tagesklinik.

Wir helfen Ihnen, mit den Folgen von Mobbing zurecht zu kommen und Arbeitsplatzkonflikte von persönlichen Konflikten zu unterscheiden; damit sie wieder in der Lage sind, gesund zu werden und Ihre berufliche Situation zu klären.

Doch was ist Mobbing eigentlich genau und woher kommt der Begriff ?

Konrad Lorenz hat den Begriff Mobbing als Erster  1963 verwendet. Er bezeichnete damit Gruppenangriffe auf einen überlegenen Feind. Der Arzt Peter Heinemann bezeichnete damit Gruppenangriffe auf eine von der Norm abweichende Person.

Die erste systematischen Forschungsergebnisse zu Mobbing stammen vom deutsch-schwedischen Arbeitspsychologen/Mediziner Heinz Leymann.

Definition: Mit Mobbing werden feindliche und unethische Verhaltensweisen, negative Kommunikation, destruktive Handlungen bis zu Isolation, persönliche Angriffe gegenüber einer Person und Ausgrenzung am Arbeitsplatz bezeichnet. Sie führen zur nachhaltigen Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit und Befindlichkeit. Das kann zu schweren Depressionen, Angstzuständen, schweren Selbstwertkrisen und zahlreichen körperlichen Beschwerden (Somatisierungsstörungen) und Suchtverhalten führen.

Die Angriffe gehen gezielt auf die sozialen Beziehungen, das soziale Ansehen, die Möglichkeit, sich mitzuteilen, auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation und auf die Gesundheit. Meist finden keine offenen Gespräche, keine Klärungen mehr statt. Stattdessen wird der Kontakt verweigert, werden die Betroffenen ausgegrenzt und gleichzeitig mit abwertenden Blicken und Gesten verunsichert und irritiert. Das kann bis zu Telefonterror, mündlichen oder schriftlichen Drohungen gehen. Außerdem werden gezielt Gerüchte gestreut und die Betroffenen lächerlich gemacht.

Neuere Untersuchungen geben die Häufigkeit von Mobbing mit 11,3% der Erwerbstätigen an (n= 4.396). Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Im Gesundheits- und Erziehungsbereich, im Öffentlichen Dienst und im Kreditgewerbe ist Mobbing am weitesten verbreitet.

Die Ursache von Mobbing liegt in den meisten Fällen in einem Konflikt, der nicht gelöst wird und unter der Oberfläche weiterschwelt. Mobbingbetroffene können Symptomträger einer kranken Organisation sein. Der Mobbingprozess kann stabilisierende Funktion für die Gruppe oder Organisation haben.

Immer wieder kommen bei Mobbing drei verschiedene negative Faktoren zusammen: Gesellschaftliche Faktoren (Arbeitsunsicherheit), betriebliche Faktoren (unklare Strukturen, schwache Führung) und persönliche Faktoren (Schwierigkeit der Betroffenen, sich zu wehren).

Zur Vermeidung von Mobbing sind klare Strukturen und transparente Organisation, offene und direkte Kommunikation und klare Kompetenzen und Zuständigkeiten notwendig.

Zu den individuellen Maßnahmen gehören die Mobilisierung von Unterstützung und Stärkung der Eigenkompetenz, die Einleitung von rechtlichen Schritten, ggf. Kündigung und, wenn notwendig, der Beginn eine Therapie, wie wir sie in unserer Abteilung anbieten.