In der Psychosomatik werden keine Befindlichkeitsstörungen behandelt

Immer mehr Menschen leiden unter behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen. Trotzdem werden in der Presse immer wieder Stimmen laut, die kritisieren, dass Menschen mit leichten Beschwerden – Befindlichkeitsstörungen – nicht notwendige Behandlungen  bekommen.

Das geht soweit, dass einige Ärzte die Burn out-Erkrankung für eine Modeerscheinung halten. Wieder andere kritisieren die psychosomatischen Klinken dafür, dass sie „handverlesene“, leicht kranke Menschen behandeln. Die wirklich Kranken würden in psychiatrischen Klinken behandelt und wären oft gar nicht in der Lage, an Therapien teilzunehmen.

In der Wochenendbeilage der SZ vom 9.2.2013 (siehe SZ-Archiv) wurde z. B. ausführlich über „Alternative Daseinsformen“ diskutiert. Der Autor belustigte sich darüber, dass viele Menschen etwas so Natürliches und Normales wie das Atmen verlernt hätten und Atemseminare und Atemkurse besuchen würden. Diese brachte er in Zusammenhang mit Rückenschulen, Selbstwahrnehmungskursen und Kursen zur Geburtsvorbereitung. Die meisten Menschen hätten verlernt, was ihr Körper braucht und würden sich wie kleine Kinder verhalten. Das würde dann zu Stress und psychosomatischen Erkrankungen führen.

Diesen Verallgemeinerungen muss deutlich widersprochen werden: Bei vielen Erkrankungen gibt es unterschiedliche Schweregrade. Das gilt für Depressionen, chronische Schmerzen und Burn out (siehe diesen Blog).

In den psychosomatischen Klinken werden immer nur die Menschen behandelt, für die Selbstwahrnehmungskurse und Rückenschulen schon lange nicht mehr helfen. Viele haben ambulante Behandlungsversuche hinter sich, die ebenfalls keine Besserung brachten. Auch Medikamente allein (Antidepressiva, Schmerzmittel) haben vielen Menschen, die in unsere Psychosomatische Abteilung bei München kommen, nicht weitergeholfen. Viele Menschen mit Burnout haben vorher firmeneigene Seminare besucht, erfolgloses Coaching hinter sich.

Und ein wichtiger Unterschied zwischen Krankenhausaufenthalten mit rein medikamentösen Behandlungen und Krankenhausbehandlung mit intensiver psychosomatischer und psychotherapeutischer Therapie besteht darin, dass nicht nur Krisen behandelt werden, bis das normale Funktionieren wiederhergestellt ist. Vielmehr lernen die Menschen, mit Krisen besser zurecht zu kommen und Burnout in Zukunft zu vermeiden. Damit ist eine Heilung und Stärkung der Persönlichkeit möglich, die eine dauerhafte Besserung und Krisen-Prävention ermöglicht.

Dazu hilft auch eine bessere Selbstwahrnehmung !!

 

Ambulanzen für die Psychosomatik

Seit Anfang des Jahres sind psychosomatische Krankenhäuser und Abteilungen berechtigt, Ambulanzen einzurichten (Institutsambulanzen nach § 118 Abs. 3 SGB V). Diese Möglichkeiten wurden durch die Veränderungen im Rahmen des PEPP-Entgeltssystems eingeleitet.

Diese Ambulanzen stellen eine große Chance und Verbesserung für viele Patienten dar, die schnelle therapeutische und ärztliche Untersuchungen und Behandlungen brauchen (s.u.).

Deshalb beabsichtigen wir auch, in unserer psychosomatischen Abteilung bei München sobald wie möglich eine solche Institutsambulanz einzurichten.

Doch bis zur Realisierung müssen noch einige Voraussetzungen erfüllt werden. So trifft sich in der nächsten Woche eine Arbeitsgruppe bei der deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) unter Mitwirkung von Chefarzt Dr. Krüger, um die organisatorischen und inhaltlichen Voraussetzungen zu erarbeiten. Das Ziel sind verbindliche Rahmenvereinbarungen, wie sie bereits für die Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIAs) bestehen.

Es muss nämlich sichergestellt werden, dass in den Ambulanzen nur Menschen behandelt werden, die sonst keine schnelle, aber notwendige, medizinische oder therapeutische Hilfe bekommen würden. D.h. hier sollen Patienten behandelt werden, die „wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung“ eine akute Behandlung brauchen, von niedergelassenen Ärzten, Psychiatern und Psychotherapeuten aber nur unzureichend oder nicht schnell genug erreicht werden.

Die Behandlung in Institutsambulanzen soll außerdem dazu dienen, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, stationäre Behandlungszeiten zu verkürzen und Behandlungsabläufe zu optimieren (PIA Vereinbarung 2010).

Es ist also nicht das Ziel von psychosomatischen Institutsambulanzen, in Konkurrenz zu ambulanten Psychiatern oder Psychotherapeuten zu treten. Das wird gesetzlich festgeschrieben werden. Es ist eher das Ziel einer neuen Ambulanz an der Psychosomatischen Abteilung in Ebersberg, eng mit den  ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Kollegen zum Wohle der Patienten zusammenzuarbeiten.

So werden wir Patienten, die einen ambulanten Therapieplatz bekommen könnten und für die eine ambulante Therapie ausreicht, nicht in unserer Ambulanz behandeln.

Dazu sind wir schon seit Monaten in regelmäßigen Diskussionen mit den entsprechenden Arbeitskreisen und Qualitätszirkeln ambulanter Psychiater und Psychotherapeuten in der Region. Diese werden wir vor dem Start unserer Institutsambulanz noch einmal schriftlich und in einer Informationsveranstaltung informieren. Und wir würden uns freuen, wenn niedergelassene Kollegen in unserer neuen Ambulanz mitarbeiten würden.

Vorteile einer psychosomatischen Ambulanz für die Patienten:

  • wenn Sie akute Hilfe benötigen,  aber keinen Therapeuten oder Psychiater finden
  • wenn wegen der Art, Dauer und Schwere Ihrer Erkrankung keine ambulante Therapie finden
  • wenn Sie in einer internistischen oder anderen somatischen Abteilung eingewiesen wurden, aber eine psychosomatische Behandlung benötigen
  • wenn Sie eine  Kombinationsbehandlung (z. B. Einzel- und Gruppentherapie) benötigen
  • wenn Sie eine Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Physiotherapie, Sozialberatung oder Kreativtherapie benötigen

Sind Antidepressiva nützlich oder gefährlich?

Millionen Menschen leiden unter Depressionen. In unserer Psychosomatischen Abteilung bei München behandeln wir Depressionen mit Psychotherapien und, wenn notwendig, mit Medikamenten. Viele Menschen, die zu uns kommen, werden schon, z. T. seit Jahren mit Medikamenten behandelt. Sie haben einen berechtigten Anspruch darauf, dass sie ausführlich über Nutzen, Wirkungen und Nebenwirkungen und ggf. Risiken aufgeklärt werden.

Ein Artikel in der SZ vom 16. Februar in ihrer Wochenendbeilage lässt daran Zweifel aufkommen. Der Beitrag unter dem Titel: „Die Pille zum Glück; Wie die Pharmaindustrie trickste, um die Zulassung für gefährliche Antidepressiva zu erhalten“ beschäftigt sich mit  den Machenschaften von Pharmakonzernen und deren zweifelhaften Methoden, Medikamente auf den Markt zu bringen, indem Mediziner benutzt werden, Risiken und Nebenwirkungen heruntergespielt und Patienten getäuscht werden.

Am 18.2.13 sendet die ARD einen Beitrag: „Gefährliche Glückspillen“. Auch hier werden ähnliche Praktiken beschrieben.

Deshalb ist es in unserer Psychosomatischen Abteilung in Ebersberg bei München seit Jahren ein Anliegen, Patienten soviel Therapie wie möglich anzubieten und nur soviel Medikamente wie notwendig zu verschreiben.

Das alles geschieht nach gründlicher Aufklärung über Wirkungen und Nebenwirkungen und nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Patienten.

In unserem wöchentlichen Patientenseminar geben wir regelmäßig Vorträge über Depressionen, Behandlungen, Leitlinien und Nebenwirkungen von Medikamenten (siehe Vorträge in diesem Blog).

Außerdem stellen wir sicher, dass es in unserer Abteilung keine Interessenkonflikte von Chef oder Mitarbeitern und keine Bezahlungen oder Mittel von Pharmafirmen gibt.

 

 

Keine Zwangsbehandlung in der Psychosomatik

Am 17. Januar hat der Bundestag neue Regelungen für die Zwangsbehandlung von psychisch Kranken beschlossen.

Dies war notwendig geworden, weil der Bundesgerichtshof im letzten Sommer entschieden hat, die geltende Regelungen zur Zwangsbehandlung seien nicht zulässig, weil die rechtliche Grundlage fehle.

Die neuen Voraussetzungen legen zwar fest, dass wenn ein Patient stationär behandelt werden muss, er ausführlich aufgeklärt sein muss, daß ohne Behandlung ein erheblicher Gesiundheitsschaden droht und ein zweiter Arzt zu Rate gezogen werden muss.

Trotzdem sind diese Voraussetzungen nicht ausreichend. Die BundesPsychotherapeutenkammer kritisiert  z. B., dass „nicht alle Schutzmaßnahmen ausgeschöpft“ worden seien: Originalquelle www.bptk.de.  Zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden seien andere Maßnahmen als Zwangsmaßnahmen geeignet, z. B. eine intensive 1:1 Betreuung. Außerdem regt der BPtK an, Patienten Behandlungsvereinbarungen anzubieten, wenn sie unter wiederkehrenden psychischen Erkrankungen leiden.

Aus Psychosomatischer Sicht gibt es jedoch noch weitere Kritikpunkte:

Alle Patienten haben grundsätzlich das Recht auf Selbstbestimmung und auch auf die Verweigerung von medizinisch notwendigen Behandlungen. Alles andere ist Körperverletzung. Das wissen alle Mediziner, die Patienten untersuchen und operieren. Deshalb verwenden Mediziner, Psychosomatiker und Psychiater täglich viel Zeit auf die Aufklärung, Motivation und „Überzeugungsarbeit“ von bzw. bei Patienten.

Das sichert Vertrauen auch in die therapeutische Beziehung, sichert den Behandlungserfolg und die Compliance (d. h. die Bereitschaft und Überzeugung der Patienten, dass die Behandlung in ihrem Sinne ist und sie die empfohlenen Maßnahmen und Medikamente auch anwenden und einnehmen).

Schwierig nach der neuen gesetzlichen Regelung sind auch die Grenzbereiche, wenn Ärzte und Therapeuten den Patienten „ihren“ Willen aufzwingen und Zwangsbehandlungen ohne Gefahr für Leib und Leben durchgeführt oder aufrecht erhalten werden.

Das geschieht leider noch häufig, z. B. auch in der Behandlung von Frauen mit Magersucht (Anorexia nervosa), die mitunter gegen ihren Willen wegen der drohenden Gesundheitsfolgen behandelt werden. Das geschieht immer wieder ohne Notwendigkeit und ohne den wissenschaftlichen Nachweis einer langfristigen Besserung, immer wieder mit katastrophalen Folgen für die wirklich notwendige dauerhaft stabile Arzt-Patientenbeziehung.

Wie sollen Patienten, die Zwangsbehandlungen befürchten müssen, ihren Ärzten und Therapeuten vertrauen und den wahren Schweregrad ihrer Erkrankung mitteilen ?

Psychosomatik: Ärzte vermeiden Gespräche

Wenn der Arzt sich drückt.: So beschreibt ein Arzt in SpiegelOnline den Umgang vieler Ärzte mit psychischen Ursachen von Beschwerden.

Bei einem Drittel der Menschen, die mit körperlichen Beschwerden zum Arzt gehen, finden Ärzte keine körperliche Ursache.

Herr Dr. Stelzig, Leiter einer Psychosomatischen Abteilung in Salzburg, berichtet, dass Ärzte immer weitere Untersuchungen machen, statt diesen Patienten Gespräche anzubieten. Denn oft verbergen sich hinter den Beschwerden Depressionen, Erschöpfungszustände im Sinne eines Burn out Syndroms, Reaktionen auf Konfliktsituationen, Mobbing oder ein Trauma.

Die Betroffenen fühlen sich in die Psychoecke abgeschoben, missverstanden und nicht ernst genommen. So entsteht, nach Stelzig ein Misstrauen, dass immer wieder zum Arztwechsel und Aufsuchen neuer Ärzte führt („Ärzte-Hopping“). Dort wiederholt sich oft dieser „Teufelskreis“.

Stelzig betont, dass es nicht nur Aufgabe der psychosomatisch arbeitenden Ärzte ist, bei Patienten ein Verständnis dafür zu schaffen, dass es körperliche Beschwerden auch ohne körperliche Ursachen geben kann – und dass es Lösungen für diese Probleme gibt. Bei diesen Erkrankungen handelt es sich um die so genannten Somatisierungsstörungen (siehe auch an anderer Stelle in diesem Blog).

Zum Spiegel-Artikel