Corona, Krebs und Psyche

Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem. Täglich werden wir mit neuen Informationen zu Infektionszahlen, Verdopplungsraten, den Situationen in den Krankenhäusern weltweit, den Folgen für die Wirtschaft und den Reaktionen der Politik überschwemmt.
Es scheint, als hätten Virologen die Steuerung der Politik übernommen.
Und die Politik hat einmal kurzerhand Verfügungen mit weitreichenden Auswirkungen für die Gesundheitsversorgung, die Krankenbehandlung, die Gesellschaft und die Demokratie erlassen.
Und die Medien begleiten diese einmaligen Maßnahmen v.a. mit zusätzlichen Informationen und „Brennpunkten“.

Aber wo bleibt die kritische Berichterstattung ? Wo die differenzierte Auseinandersetzung und Abwägung von „Chancen“, „Notwendigkeiten“, „Risiken“ und „Gefahren“ dieser Maßnahmen für die Gesellschaft und jeden Einzelnen?
Wer hat sich mit den psychischen Folgen der Massnahmen für die Menschen beschäftigt?
Nur am Rande ist von den Auswirkung der Maßnahmen auf die „Psyche“, die Familien und die steigende Gefahr von häuslicher Gewalt die Rede.


Was ist mit den notwendigen Behandlungen für Menschen mit chronischen Erkrankungen, v.a. mit Krebserkrankungen ?
Wer gehört zur Risikogruppe und welche Behandlungen müssen unbedingt fortgeführt werden?
Können sich Menschen in diesen Zeiten überhaupt behandeln lassen?

Wann ist das Risiko einer Coronainfektion erhöht, wann nicht ?
Wichtige Informationen und praktische Empfehlungen zu diesen Fragen bietet der Krebsinformationsdienst, die Deutsche Krebsgesellschaft und die DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie).

Doch so gut wie keine Informationen gibt es zu der Situation von Menschen mit Krebserkrankungen, die jetzt vereinzelt und u.U. von den Familien gemieden (geschützt?) werden und alleine in „häuslicher Quarantäne“ sind.

Folgende psychischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Krebserkrankte und Angehörige beschreibt die Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) am 8.4.20:

– Zunahme der psychischen Belastung (insbesondere hohe Angstsymptomatik) bei Patienten und Patientinnen in allen Stadien der Erkrankung und Problemlagen
– Zunahme der Verunsicherungen bei Therapieentscheidungen oder Akzeptanzprobleme bei ext. empfohlener Verschiebung des Therapiebeginns (systematische Therapie) oder des chirurgischen Eingriff- Sorgen über die Verfügbarkeit der medikamentösen Krebsbehandlungen durch die Corona-Ausbreitungen
– Zunahme sozialer Einschränkungen (Besuchsverbot aufStationen, Aufklärungsgespräche ohne Angehörige als Begleitung) und finanzieller Einbußen
Eingeschränkte Inanspruchnahmemöglichkeit psychoontologischer Versorgungsangebote (stationär und ambulant).

War die psychotherapeutische Versorgung für Patienten mit Krebserkrankungen schon in normalen Zeiten schwierig und begrenzt, so ist sie jetzt katastrophal.
Stichprobenartige Anrufe bei Therapeuten ergaben, das kaum Therapien durchgeführt werden oder keine Plätze zur Verfügung stehen. Die wenigen psychoonkologischen Beratungsstellen haben ihre Beratungen eingeschränkt und auf telefonische Kontakte umgestellt.
Und fast alle psychiatrischen und psychosomatischen Abteilungen in Bayern (und wahrscheinlich bundesweit) haben Patienten entlassen müssen und nehmen keine Patienten auf, weil sie Betten für die Akutbehandlungen von Corona-Patienten zur Verfügung stellen müssen (Allgemeinverfügungen der Ministerien).

Um so wichtiger ist es jetzt, Patienten nach oder in onkologischen, wie auch psychoonkologischen Behandlungen nicht alleine zu lassen.

In der Klinik Bad Trissl bietet das Team der Psychoonkologisch-Psychosomatischen Abteilung deshalb die ambulante Betreuung, Beratung, Krisenintervention und Kurzzeittherapie für ehemalige Patienten an. Diese werden z.Z. telefonisch und per Video-Sprechstunde durchgeführt.
Mit den Krankenkassen und der Bayerischen Krankenhausgesellschaft sind wir in fortgeschrittenen Gesprächen über ein weiteres Angebot für alle Patienten mit psychischen Problemen während oder nach einer Krebserkrankung.
Wir hoffen mit diesem wichtigen Angebot für eine stark betroffene Gruppe von Patienten in einer Woche beginnen zu können.