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Vorsicht mit Medikamenten im Alter !

„Man weiss nie was passiert, wenn sich Zwei zusammen tun.“ Mit diesem Slogan haben die Apotheken geworben. Mit diesem flotten Spruch wollen die Apotheken auf problematische Wechselwirkung zwischen Medikamenten aufmerksam machen. An dieser Stelle möchte ich einige Informationen zu diesem wichtigen Thema geben.

Über 90% der Menschen über 60 Jahre nehmen täglich Medikamente ein, im Mittel 2 bis 3 verschiedene Arzneimittel pro Tag. Bei über 80 Jährigen sind es schon 4 bis 5 Arzneimittel oder mehr*. Zu den verordneten Medikamenten kommen noch diejenigen, die Menschen spontan und ohne Rücksprache mit dem Arzt einnehmen. Dabei handelt es sich v.a. um Schmerz- und Beruhigungsmittel*.

Die folgenden Informationen beziehen sich u.a. auf die sehr informative Broschüre des Bundesministeriums für Forschung, die Sie auch im Informationsteil dieses Blogs finden (BMBF: Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet?*„)

Was bringt mich als Arzt für Psychosomatische Medizin zu den Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Arzneimitteln?

Das hat schon früh begonnen. Meine eigene Doktorarbeit in den 80er Jahren handelte von diesem Thema. An der LMU haben wir damals mehr als 500 Menschen untersucht, die   dauerhaft Herz- und Kreislaufmittel einnahmen (Digitalispräparate), die sie schon lange nicht mehr brauchten.

Und das ist nicht ungefährlich, weil diese Medikamente über die Niere abgebaut werden. jeder kann sich vorstellen, dass der Abbau der Herzmedikamente verzögert ist, wenn die Nierenleistung nachlässt. Dann kann es zu Überdosierungen und Komplikationen kommen. (Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Stürzen, Übelkeit, Erbrechen…). Interessanterweise stehen die Medikamente,die wir damals im Zusammenhang mit der Doktorarbeit abgesetzt haben, heute auf der unten genannten PRISCUS-Liste.

Und als Abteilung für Psychosomatik bei München mit einem Behandlungsschwerpunkt für „Gesundheit im Alter – 55plus“ haben wir täglich mit Medikamenten zu tun, die auf der Liste der meist verordneten Medikamente für ältere Menschen stehen: den Psychopharmaka. Denn zu den häufigsten Medikamenten unter den Arzneimittel im Alter gehören:

  1.  Medikamente gegen Herz-Kreislauferkrankungen
  2. Medikamente gegen Hormon- und Stoffwechselerkrankungen  (Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und „Fettsenker“)
  3. Medikamente gegen Schmerzen (Paracetamol, Ibubruphen, Opiate)
  4. Medikamente gegen psychische Symptome (Medikamente gegen Schlaflosigkeit, Depressionen, Unruhe, Gedächtnisstörungen oder Erregungszustände, s.u.) 

Doch erstaunlicherweise gibt es wenige Untersuchungen zu Medikamentenwirkungen im Alter, zu Wechselwirkungen, zum verändertem Stoffwechsel im Alter, zu nachlassender Nieren- und Leberfunktion und zu den Unterschieden in der Wirksamkeit zwischen Männern und Frauen.

Und was sind typische Nebenwirkungen von Medikamenten im Alter ?

Die wenigsten Menschen denken bei folgenden Symptomen an Nebenwirkungen von Medikamenten:

  • Schwindel oder Benommenheit
  • Verwirrung, Sturz
  • trockener Mund, Übelkeit
  • Bauchschmerzen, Verstopfung
  • Probleme beim Wasserlassen /Inkontinenz
  • Schlafstörungen

Es gibt immer wieder Beispiele dafür, dass manche Symptome, die erschreckte Angehörige für eine beginnende Demenz halten, durch Nebenwirkungen von Medikamenten hervorgerufen wurden.

Deswegen ist es wichtig, dass Ärzte und Laien davon wissen und möglichst die Liste kennen, die im Alter spezielle Probleme machen und deswegen möglichst nicht eingesetzt werden sollten.

Diese Liste heisst PRISCUS-Liste und liegt in unserer Abteilung aus. Sie finden sie auch im Info-Teil in diesem Blog. Diese Liste  enthält aktuell 83 Wirkstoffe, die für ältere Menschen ungeeignet sein können. Die PRISCUS-Liste ist das Ergebnis eines vom BMFB-geförderten Verbundprojektes, in dem Experten alle internationalen und nationalen Informationen zu Arzneimitteltherapie bei älteren Menschen zusammengeführt haben.

Die erschreckende Information aus dieser Arbeit ist, dass jeder fünfte Patienten auf seiner täglichen Arzneimittelliste ein Medikament aus der Priscus-Lste, also ein potentiell ungeeignetes Medikament, hatte.

Was heißt das für Sie und uns?

Informieren Sie sich und sprechen Sie darüber mit  Ihrem Arzt.

Für uns heißt es, dass wir unserer Psychosomatischen Abteilung ein genaues Augenmerk auf die Medikamente jedes einzelnen Patienten haben. Dabei ist unser Grundsatz:

Soviel Therapie wie möglich, und so wenig Medikamente wie notwendig. D. h. dass wir den Schwerpunkt unserer Behandlungen zur Besserung der Symptome  auf intensive Therapie legen, wenn notwendig in Kombination mit Medikamenten, (siehe auch Beitrag in diesem Blog zur Behandlung von Schwerkranken mit Psychotherapie).

Das heißt auch, dass wir v.a. in unserer Gruppe für ältere Patienten (Gesundheit im Alter, 55plus) sehr genau nach den Wirkungen und Nebenwirkungen bei jedem einzelnen Patienten schauen. Das besprechen wir bei den wöchentlichen Medizinischen Visiten und den Chefvisiten.

  • Regelmäßig kontrollieren wir die Kombinationen von Medikamenten auf unerwünschte Nebenwirkungen.
  • Immer dann setzen wir nicht notwendige Medikamente ab, wenn Sie damit einverstanden sind.
  • Wir reduzieren die Dosis, wenn Medikamente nicht mehr notwendig sind, weil sich ihr Ihr Zustand und die Beschwerden gebessert haben.

Ganz besonders freuen, wir uns wenn wir zum Ende der Behandlung in unserer Psychosomatischen Abteilung Medikamente absetzen können, weil sie nicht mehr notwendig sind.

Gesund im Alter – Psychosomatik im Dritten Lebensabschnitt

In den letzten Wochen ist das Thema: Alter und Senioren immer mehr in die Medien geraten. Vor allem in der SZ finden sich zum Teil mehrere Artikel zu diesem Thema.

Dabei ist die Perspektive fast immer gleich: wir werden immer älter, der demographische Wandel betrifft uns alle, immer mehr Menschen werden krank und pflegebedürftig, dadurch kommen auf die Gesellschaft immer höhere Kosten zu.

Aus dieser Sicht verwundert es nicht, dass sich immer mehr Veröffentlichungen v.a. um neue Produkte der Medizintechnik für ältere Menschen drehen. Dazu zählen Notfall-Telefone, Gehhilfen, Wohnungen mit neuen Technologien und Hilfen für Betreuer. Sie sollen alten Menschen dabei helfen, das Leben zu erleichtern.

Doch diese Perspektive ist verkürzt !

Zahlreiche Studien belegen nämlich, dass Menschen zwar immer älter werden; aber auch, dass sie immer länger gesund bleiben und körperlich und geistig viel länger fit sind.

Das heißt auch, dass immer mehr Menschen einen neuen Lebensabschnitt erleben, die Zeit zwischen 60 und 75 Jahren: ohne Arbeit, mit viel Zeit und zahlreichen Möglichkeiten.

Darauf scheinen weder die Gesellschaft noch die Medien vorbereitet. In einem Artikel der heutigen SZ (25.3.13, Seite 71, siehe SZ Archiv) heißt es vielversprechend: „Was Senioren wollen.“ Doch wer diesen Artikel liest, bekommt keine Lust auf diesen Lebensabschnitt. Von Magnesiumtabletten über den Rollator bis zu Bestattungsunternehmen werden vermeintlich alle Themen älterer Menschen behandelt.

Der alte Mensch, das unbekannte Wesen!?

Und die Krankheiten, um die es immer wieder geht? Studien belegen, dass Krankheiten immer später, nämlich  erst in den letzten Lebensjahren auftreten und die Kosten für das Gesundheitswesen meist erst im letzten Lebensjahr, d.h. deutlich später, anfallen.

D.h., Menschen leben immer länger gesund und glücklich. Sie werden immer später krank, hilfs- und pflegebedürftig und brauchen immer später Hilfsmittel z.B. wegen Demenz.

Es wird Zeit, dass sich unsere Gesellschaft viel mehr mit Menschen im dritten Lebensabschnitt beschäftigt und lernt, was Menschen in diesem Alter, zwischen 60 und 75 Jahren, wünschen und brauchen.

Für diese Menschen altersgerechte Beschäftigungen, altersgerechte medizinische Angebote und auch therapeutische Hilfen anzubieten, wird ein immer größeres Thema unseres Gesundheitssystems werden.

Und wenn Menschen in diesem Lebensabschnitt Hilfen und manchmal Psychotherapie brauchen, damit sie möglichst lange diesen Lebensabschnitt genießen können und selbständig bleiben, dann benötigen sie spezielle Angebote, wie sie z. B. in unserer psychosomatischen Abteilung in Ebersberg bei München gegeben sind (siehe 55plus in diesem Blog).

Wir bieten in unserer Station und Tagesklinik eine eigene Gruppe für ältere Menschen an, in der wir Krankeiten behandeln und ihnen helfen, aktiv, gesund, eigenständig und selbständig zu bleiben.

Dabei kombinieren wir Psychotherapie mit Konzentrations- und Gedächtnistraining und altersgerechter körperlicher und psychischer Aktivität.

Nähere Informationen dazu finden sie auf der Webseite unserer Abteilung.

Selbständigkeit im Alter durch psychische Gesundheit und moderne Techniken

Körperliche und psychische Gesundheit sind zentrale Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben im Alter.

Dafür haben wir in der psychosomatischen Abteilung der Kreisklinik Ebersberg bei München seit 2011 eine Behandlungsgruppe für ältere Menschen eingerichtet, die von immer mehr Menschen aus der Region und dem Landkreis in Anspruch genommen wird.

Wir alle wünschen uns, bis ins hohe Alter körperlich und psychisch gesund zu bleiben und ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dazu verhelfen wir Menschen mit körperlichen Erkrankungen und psychischen Krisen in unserer psychosomatischen Behandlung für Ältere: 55plus (siehe diesen Blog). Hier behandeln wir Menschen, die um die 60 Jahre und älter sind, mit einem individuellen Behandlungsprogramm.

Denn der Bedarf wächst, wie viele Berichte und Untersuchungen zeigen. Doch es gibt im Vergleich dazu wenig spezielle Angebote in der Psychosomatik. Untersuchungen zeigen auch, dass zwar 50 % der Menschen über 70 Jahre  psychische und psychotherapeutische Hilfe bräuchten, aber nur nur 2 % davon wirklich in Behandlung gehen.

Deshalb sehen wir eine wichtige Aufgabe – auch unseres Blogs – darin, Ängste und Vorbehalte vor Hilfen, Behandlungen und Therapie abzubauen und den Betroffenen oder den Angehörigen zu helfen, sich professionelle Hilfen zu holen.

Das unterstützt Menschen dabei, ihre Selbstständigkeit im Alter zu erhalten, chronischen Krankheiten vorzubeugen und dazu auch dringend notwendige, medizinische Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Wir Ärzte und Ärztinnen der psychosomatischen Abteilung haben deshalb in den letzten Jahren Menschen auch medizinisch behandelt und dabei geholfen, ihren Diabetes wieder besser einzustellen, ihre Bluthochdruck Medikamente wieder einzunehmen, wieder besser zu schlafen und notwendige Kontrolluntersuchungen zu machen.

Therapeutisch haben wir vielen Menschen dabei geholfen, aktiver zu werden, sich wieder unter Menschen zu trauen, sich körperlich zu bewegen und ihre Depressionen und Ängste los zu werden.

Das sehen wir als die beste Vorsorge gegen Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Das hilft älteren Menschen dabei: „Länger  daheim zu wohnen“, wie die SZ am Donnerstag, den 7.3.13 schrieb (siehe SZ-Archiv).

Unsere Vorstellung ist, moderne Techniken nicht nur dafür einzusetzen, „schnell Hilfen zu holen“, wie die SZ schrieb, sondern Menschen aktiv zu helfen, mit neuen Medien (Internet, E-Mail) zurecht zu kommen, um aktiv und in Kontakt mit ihren Angehörigen und Freunden zu bleiben. Dabei können Tablet Computer helfen, spielerisch ins Internet zu kommen, Leistungstests und diagnostische Tests zu machen und spielerische Konzentrations- und Gedächtnisübungen in der Gruppe mit Anderen der gleichen Altersgruppe zu trainieren.

Als Mediziner und Psychotherapeuten setzen wir uns für viel früheren Einsatz von neuen Techniken ein. Sie sollen helfen, dass Menschen selbstständig und aktiv im Kontakt mit ihren Mitmenschen bleiben, lange bevor sie „virtuelle Gesundheitsassistenten“ zum Blutdruckmessen und zum Alarmieren von Notärzten brauchen.