Psychisch Gesund durch Sport bis ins Alter

Nur 34,7 % der Menschen in Deutschland treiben regelmässig Sport, wie neuere Untersuchungen belegen (Statistika, 2013). Und diese Zahl nimmt mit zunehmendem Alter noch ab.

Dabei ist nachgewiesen, dass regelmässiger Sport  gesund hält.

Zwei neuere  Untersuchungen wiesen zudem nach, dass Sport auch bei Depressionen hilft:

Eine methodisch sehr gute, systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration bestätigt einen moderaten Effekt von körperlichem Training bei Depressionen (Cochrane Database of Systematic Reviews, Bd. 8, 2013). 2326 Teilnehmer in 35 Wissenschaftlichen Arbeiten wurden untersucht.

Die Effekte waren ähnlich stark wie die von Medikamenten und Therapien.

In einer zweiten Arbeit wurden 3450 Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 64 Jahren 8 Jahre lang begleitet und untersucht. Auch in dieser Arbeit wurden positive Effekte mit weniger Erkrankungen und Depressionen bestätigt.

Der besondere Charme der zweiten Untersuchung liegt daran, dass auch Menschen, die erst spät mit körperlichem Training anfangen, oder wieder anfangen, von diesen Vorteilen profitieren.

Deshalb kombinieren wir bei unserer stationären und tagesklinischen Behandlung in unserer Psychosomatischen Abteilung bei München auch schon lange intensive Psychotherapie, mit Sport und körperlicher Aktivierung.

Viele der Patienten bestätigen und, dass sie z.T. erstmals seit Jahren wieder Sport treiben und sich stärker, aktiver, antriebsstärker und kraftvoller fühlen.

Psychische Gesundheit und Vorbelastungen

In dieser Woche wurde eine Studie der Technischen Universität Dresden zu den Risikofaktoren für psychische Störungen bei Soldaten veröffentlicht. Diese Studie ist deshalb interessant, weil sie zeigt, dass es nicht reicht, nur akute Symptome zu untersuchen und zu behandeln.

Das hatten wir auch schon in einem Blog-Beitrag im Juli beschrieben: „Burnout und Narzissmus- Warum es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln“.

Die Studie von Wittchen, dem Leiter des Instituts für klinische Psychologie an der TU Dresden, ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht alle Menschen gleich stark auf die gleichen Belastungen reagieren. Die Studie mit 2500 Bundeswehrsoldaten belegt, dass jeder fünfte Soldat schon mit einer psychischen „Störung“ in den Auslandseinsatz geht. Dabei handelte es sich unter anderem um nicht erkannte oder nicht behandelte Depressionen, Angsterkrankungen und Alkoholprobleme. Die belastete Gruppe unter den Soldaten hatte ein erhöhtes Risiko, durch den Auslandseinsatz an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, zu erkranken.

Wittchen betont im Interview mit der SZ den herausragenden Stellenwert, den psychische Vorerkrankungen für die Frage haben, ob Soldaten durch den Einsatz psychisch geschädigt werden.

Und aus der Sicht des aufmerksamen Lesers ist erschreckend, dass diese psychische Vor-Belastung nicht erkannt oder diagnostiziert wurde.

Noch schlimmer ist, dass die Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, bei keinem der Soldaten erkannt oder behandelt worden war.

Aus therapeutischer Sicht wird durch diese Untersuchung noch einmal klar, dass unser aller Reaktion auf schwere und schwerste Belastungen davon abhängt, wie unsere Widerstandskraft oder Resilienz is – anders ausgedrückt – wie wir gelernt haben, mit psychischen Belastungen umzugehen.

Vereinfacht gesagt: Menschen, die schon immer ängstlich waren und wenig gelernt haben, mit Ängsten umzugehen, reagieren natürlich in einer angstauslösenden Situation mit vermehrter Angst und Angsterkrankungen. Sie haben – so die Sprache der Studie – eine psychische Vorbelastung oder psychische Vorerkrankung, die ihr Risiko erhöht, eine psychische Erkrankung zu bekommen. Das gilt genauso für Selbstwertprobleme und Narzisstische Krisen, für Depressionen und Suchterkrankungen.

Deshalb haben wir geschrieben, dass es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln, sondern dass es dringend notwendig ist, nach den psychischen Ursachen, die großteils unbewusst sind, zu suchen.

Das ist damit gemeint, wenn wir von einer psychoanalytisch begründeten Therapie sprechen.

Von der Selbstoptimierung zum Hirndoping?

Chronische Belastungen und chronischer Stress machen krank, wie viele Studien und auch mehrere Beiträge in diesem Blog belegen. Um leistungsfähig zu bleiben oder die „Performance“ noch zu steigern, greifen jedoch immer mehr Menschen in Studium und Beruf zu Medikamenten.

Nach Umfragen der Krankenkassen geben 5% der Erwerbstätigen und Studenten an, schon einmal Medikamente zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Das belegt auch eine Studie der Universität Bielefeld mit 3486 Studenten. Der SPIEGEL berichtete im Januar 2013 von 20% der Studenten, die Hirndoping betreiben. In Untersuchungen aus den USA wird die Häufigkeit von Medikamenten zur Leistungssteigerung ebenfalls mit 20% unter Studenten angegeben.

Im Projekt FAIRUSE der Soziologischen Fakultät Bielefeld wird versucht, Studienbedingungen zu schaffen, die Hirndoping und andere Praktiken nicht notwendig machen.

Menschen, die Medikamente zum  Hirndoping einsetzen, versuchen in der Regel, wacher, konzentrierter und leistungsfähiger zu sein, aber auch Ängste abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern.

Bei  den Substanzen, die eingenommen werden, handelt es sich in erster Linie um Amphetamine, deren Verwandte (z.B. Methylphenidat: Ritalin*) und weitere illegale Drogen.  Für nähere Informationen zu den Medikamenten verweisen wir auf die Website der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

Die Nebenwirkungen sind nicht harmlos: zu zahlreichen körperlichen Beschwerden (Kopfschmerzen, Unruhe, Schlafstörungen, Atemnot, Herzprobleme Blutdruckschwankungen, Vergiftungserscheinungen) kommen eine ganze Reihe von psychischen Problemen und Erkrankungen (Ängste, Depressionen, Burnout, plötzliche aggressive Ausbrüche und Verfolgungswahn) und nicht zuletzt die Abhängigkeit von den Doping-Mitteln.

Besonders anfällig für Hirndoping sind Menschen, für die nur Leistungen zählen. Oft haben sie immer wieder die Erfahrung gemacht, nur über ihre Leistungen wahrgenommen zu werden. Immer wieder werden so auch Unsicherheiten und Ängste mit Leistungssteigerung überspielt.

Eine ähnliche Dynamik habe ich vor einigen Wochen bei dem Thema Selbstoptimierung unter der Überschrift: „Schöner,schlanker und gesünder. Wozu dient die Selbstoptimierung“ beschrieben.

Der regelmäßige Gebrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung führt aber unweigerlich zu einer Spirale, die die Betroffenen irgendwann nicht mehr aufhalten können. Manche müssen auch die Erfahrung machen, dass die erbrachten Leistungen nie genug sind und sie nie zur Ruhe und Zufriedenheit kommen. Dann hetzen diese „Leistungsträger“ von Erfolg zu Erfolg. Doch sie können diese Erfolge immer weniger geniessen, sondern müssen immer weiter, immer höher. So stellt sich eine Sucht nach Erfolg ein, der allein schon lange nicht mehr befriedigt.

Machmal ist eine Erkrankung für die Betroffenen der einzige Ausstieg ohne Gesichtsverlust aus diesem Kreislauf . Denn auch der Ausstieg aus der Leistungsspirale macht Angst. Gut, wenn bis dahin niemand zu schaden gekommen ist (z.B. durch Verletzungen, Unfälle oder Risikoverhalten).

Spätestens dann sind aber professionelle Unterstützung, Beratung und Therapie notwendig.

Manchmal muss vor eine Psychotherapie erst ein körperlicher Entzug  gemacht werden.

Langfristig kommen die Betroffen aber nur zurecht, wenn sie ihre Leistungsideale in Frage stellen und sich klar machen, was sie mit Leistung und Erfolg kompensieren wollten. Dann ist nicht nur eine Verhaltensänderung, sondern auch eine Veränderungen der Einstellungen möglich. Das geht in der Regel nur mit einfühlsamer, professioneller Therapie z.B. in einer Psychosomatischen Behandlung.

Was sind eigentlich psychische Erkrankungen und wie beeinflussen sie die Arbeitsfähigkeit?

Ein Artikel in der ZEIT vom 7.November hat mich sehr verwirrt. Ich behandele seit mehr als 23 Jahren Patienten mit psychischen Erkrankungen. Aber die Patienten, die in dem Artikel dargestellt werden, sind andere Menschen, als die, die ich aus meiner täglichen Arbeit in Klinik und Universität kenne. Menschen, die ich behandelt habe, brauchten intensive Psychotherapie und waren fast alle arbeitsfähig, wenn sie nicht in Ausbildung, zu Hause bei den Kindern oder in Rente waren.

Und das scheint daran zu liegen, dass in dem Artikel in der ZEIT  psychische Erkrankungen mit Psychosen gleichgestellt werden. Hier wird alles in einen Topf geworfen und der Eindruck erweckt, als wären Schizophrenien typische psychische Erkrankungen. Verwirrenderweise heisst es dann auch, nur 6 % der Menschen mit psychischen Erkrankungen (?)  hätten eine Vollzeitstelle.

Dabei sind von Schizophrenien, also schweren Psychosen, die oft chronisch verlaufen, nur 0,7 bis 1,4 % der Menschen betroffen. Das Krankheitsbild der Schizophrenie soll hier nicht näher beschrieben werden. Das können Sie im folgenden Link nachlesen: (Gesundheitsberichterstattung des Bundes). Die Häufigkeit (Prävalenz) von Schizophrenien ist über alle Kulturen gleich und hat in den letzen Jahrzehnten nicht zugenommen.

Zugenommen haben aber psychische Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Stress, beruflichen unsd privaten Belastungen und Überforderungen stehen. Das belegen auch Zahlen der Gesundheitsreporte der Krankenkassen, wie der DAK 2013. Inzwischen ist fast jeder dritte Arbeitnehmer betroffen. Und die meisten arbeiten trotz der Beschwerden und Erkrankungen weiter (ganz im Gegensatz zur Situation, wie sie im ZEIT-Artikel geschildert wird).

Und Menschen mit diesen Beschwerden und Erkrankungen, die in Zusammenhang mit akuten oder chronischen Belastungen stehen, brauchen qualifizierte Behandlungen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, wie sie von ambulanten ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten und in psychosomatischen Kliniken angeboten werden.

Wovon ist also die Rede? Und ist der Autorin ein Vorwurf zu machen?

Sie bezieht sich auf eine aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, DGPPN (S3-Leitlinie zu „Psychosozialen Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen„). Aber auch hier wird alles in einen Topf geworfen. Die Leitlinie gibt ambulante Behandlungsempfehlungen für alle psychischen Erkrankungen, unabhängig von der Art und Schwere der Erkrankungen.

Interessanterweise kommt die Psychotherapie als eine der wichtigsten Behandlungen im ambulanten Sektor in der Leitlinie überhaupt nicht vor.

Das ist so, als würden alle organischen Erkrankungen in einen Topf geworfen werden. Vergleichen wir denn etwa eine Blinddarmentzündung mit einer schweren Krebserkrankung und bekommen alle die gleichen Behandlungen?

Darüber hinaus hat diese Leitlinie einige wissenschaftliche Schwächen (z.B. kann sie sich nicht auf kontrollierte Studien berufen). Interessanterweise kommt diese Leitlinie zu einem Zeitpunkt, an dem der Gesetzgeber die Selbstverwaltung beauftragt hat, eine neues Entgeltsystem (also eine neue Bezahlung für die Kliniken) zu schaffen. Dieses PEPP-Entgeltsystem soll zwischen einzelnen Erkrankungen, Schweregraden, Patientenmerkmalen und unterschiedlichen Behandlungen unterscheiden.

Kommen hier evt. berufspolitische Interessen im Gewand einer Leitlinie daher? (Und für die Fachleute: Geht es evt. um andere Abrechnungssysteme, wie etwa Regionalbudgets?)

Das wäre für die Betroffenen fatal. Denn Menschen mit Depressionen, Angststörungen, Zwangserkrankungen, die alle in dieser Leitlinie erwähnt werden, profitieren nach allen vorhandenen Leitlinien und wissenschaftlichen Studien von qualifizierten Psychotherapien. Damit sind sie in den meisten Fällen in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig. Die Dauer der Krankschreibung wegen psychischer Erkrankungen wird auch von den Krankenkassen mit durchschnittlich 29 Tagen angegeben. Das heißt: Menschen, die qualifiziert behandelt werden, sind im Durchschnitt nach diesen 29 Tagen wieder arbeitsfähig !

Chronischer Stress macht krank !

11% der 18 bis 64-Jährigen in Deutschland erleben chronischen Stress. Frauen geben mit 13,9% häufiger eine überdurchschnittliche Belastung an als Männer mit 8,2%.“ das beschreibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Website unter der Überschrift: Zahl des Monats !

Vor kurzem hatten wir über Beiträge der AZ und TKK zu Stress berichtet. Heute wollen wir ausführlicher über Chronischen Stress, die Auswirkung auf die psychische Gesundheit und die Möglichkeiten und den Nutzen von Behandlungen schreiben.

In der Arbeit des Robert-Koch-Instituts heisst es: akuter Stress ist eine normale Reaktion auf verschiedene Reize und Belastungen. „Chronischer Stress hat jedoch Effekte auf den Stoffwechsel, das Immun- und Herz-Kreislaufsystem und beeinträchtigt die Schlafregulierung, Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse. Stress scheint auch ein Faktor beim Entstehen und Fortschreiten von psychischen Auffälligkeiten und Störungen zu sein.“ (ebenda)

Umfangreiche Analysen belegen, dass Psychosozialer Dauerstress hohe Risiken für stressbedingte chronische Veränderungen mit sich bringt, die mit Blick auf das Immunsystem wie vorzeitige Alterungsprozesse wirken.

Eine Studie über zehn Jahre an 5793 Menschen konnte nachweisen, dass chronischer Stress zu vermehrten Schlafstörungen, Depressionen und Symptomen eines Burnout-Syndroms führt. Mehr als jeder zweite Erwachsene mit aktueller depressiver Symptomatik fühlt sich durch chronischen Stress stark belastet (53,7%).

Dabei ist eine starke Belastung besonders häufig, wenn es nur geringe soziale Unterstützung gibt.

Diese Symptome und Erkrankungen nehmen mit steigender Stressbelastung zu, wie folgende Graphik zeigt.

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