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Psychische Gesundheit und Männergesundheit: auch Männer haben eine Psyche !

Männergesundheit ist ein vernachlässigtes Thema bei Ärzten und Patienten. Und das liegt nicht daran, dass Männer keine gesundheitlichen Probleme haben. Aber Männer vernachlässigen ihre Gesundheit oft und Ärzte diagnostizieren Erkrankungen bei Männern erst spät (s.u.).

Und wer im Netz sucht, stösst auf nur wenige ernst zu nehmende ärztliche Informationen. Unter dem Schlagwort: Männermedizin und Männergesundheit findet man neben urologischen Praxen v.a. Angebote von Ärzten, die Anti-Aging, Molekulare Medizin u.a. oder chirurgische Eingriffe an Penis und Hoden anbieten.

An seriösen Angeboten fallen v.a. die Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts (s.u.), der Stiftung Männergesundheit und das „Männergesundheitsportal“ der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, BZgA, auf.

Das Robert Koch Institut hat z.B. 2014 einen umfangreichen Bericht zur „Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland“ veröffentlicht.

In diesem Bericht wird sehr deutlich, dass sich Männer und Frauen bei fast allen Aspekten von Gesundheit und Krankheit unterscheiden:

Wir alle wissen, dass es typische Erkrankungen von Frauen und Männern gibt. Wir wissen vielleicht auch noch, dass das Auftreten der Erkrankungen altersabhängig ist.

In dem Bericht des Robert-Koch-Instituts zur „Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland„wird aber darüber hinaus deutlich, dass sich Frauen und Männer ganz grundsätzlich bei den gesundheitlichen Verhaltensweisen, bei der Wahrnehmung von Krankheitssymptomen, bei der Kommunikation darüber und v.a. bei der Inanspruchnahme, d.h. bei der Frage, wann geht ein Mensch zum Arzt, ganz wesentlich unterscheiden.

Immer wieder wird bemängelt, dass Männer weniger zu Ärzten und weniger in Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen gehen. Deshalb gibt es zahlreiche Initiativen, wie z.B. des Gesundheitsministeriums, (BMG), das Männer zu  mehr Gesundheitsbewusstsein, mehr Aktivität und Teilnahme  an Vorsorgeuntersuchungen auffordert.

Hier wollen wir nur auf die Psychische Gesundheit von Männern eingehen und beleuchten, ob Männer wirklich weniger unter psychischen Erkrankungen leiden (oder mit psychischen Problemen weniger zum Arzt gehen) als Frauen.

Denn tun sie das wirklich weniger ? Die Häufigkeit von Krankheiten bei Männern ist wohl eher stark altersabhängig. Un es kommen noch ein paar Faktoren dazu:

Wenn man die Untersuchungen genauer ließt, fällt auf, dass Jungen dreimal häufiger als Mädchen unter Hyperaktivität, Aggressivität und der Aufmerksamkeits/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden.

Männer in den mittleren Jahren tauchen aber in den Statistiken oft jahrelang nicht mehr auf.

Und wir müssen uns fragen: sind Männer im jungen Erwachsenen-Alter wirklich weniger krank oder werden Krankheiten bei Männern weniger häufig diagnostiziert ?

Zu der Fragestellung passen Untersuchungen, die nachweisen, dass Ärzte und Ärztinnen bei Männern weniger Depressionen diagnostizieren oder Depressionen weniger häufig erkennen.

Dabei ist unter Ärzten bekannt, dass Männer unter anderen Symptomen als Frauen leiden: Männer haben häufiger „Ärgerattacken“, Aggressivität, Feindseligkeit, innere Unruhe und antisoziales Verhalten. Männer leiden auch viel häufiger unter unspezifischen, körperlichen Symptomen (Somatoformen Erkrankungen), die oft nicht als depressive Symptomatik oder Burnout erkannt wird.

Und  es gibt wohl auch ein typisches Diagnose- und Verschreibungsverhalten von  Ärzten: wenn v.a. männliche Ärzte sich eigene psychische Schwächen und Überforderungen nicht eingestehen, können sie es wohl auch nicht beim Patienten diagnostizieren (neu deutsch: Gender Bias).

Und die Männer selbst gehen wohl erst dann zum Arzt (und in medizinische und psychosomatische Behandlungen), wenn es gar nicht anders mehr  geht. Das ist auch die Erfahrung der meisten Ärzte.

Die Ursachen dafür werden an vielen Stellen diskutiert („Männlichkeit„, Männerbild, Rollenverständnis usw.).

Das führt zu späten Untersuchungen und Diagnosen und ist vermutlich der Grund für die steigende Häufigkeit von körperlichen und psychischen Erkrankungen von Männern im Alter und von den erschreckenden und steigenden Selbstmordraten von Männern mit steigendem Alter.

Es ist also dringend notwendig, frühe Angebote für Männer zu machen und ihnen dabei zu helfen, sich nicht erst an Ärzte oder Psychotherapeuten zu wenden, wenn sie nicht mehr anders können.

In unserer Psychosomatischen Abteilung bei München nehmen wir dieses Thema schon lange sehr ernst und beschäftigen wir uns schon lange mit dem Thema.

Es ist deshalb auch kein Wunder, dass wir in unserer Abteilung seit Jahren viele Männer in allen Altersgruppen behandeln. Der Anteil von Männern in unseren Behandlungen ist Vergleich zu anderen Psychosomatischen Abteilungen hoch und liegt bei bis zu 48 % unserer Patienten.

In Zukunft werden wir auch eine spezielle Männersprechstunde anbieten, in der sich vier erfahrene männliche Ärzten unserer Abteilung (die gleichzeitig Psychotherapeuten sind) speziell um die Probleme, Erkrankungen und Konflikte von Männern aller Altersstufen kümmern.

Burnout-Diagnose: Entwarnung ?

Die Menschen mit einem Burnout sind schwer krank. Trotzdem ist die Diagnose unter Experten umstritten. Manche sagen, es handele sich um einen neuen Begriff für eine Depression, viele nennen es eine Modeerscheinung.

Unter dem Titel: „Burnout kommt aus der Mode“ veröffentlichte die DAK jetzt neue Zahlen, die belegen sollen, dass bei ihren Versicherten die Diagnose Burnout rückläufig sei, die Diagnose der Depression aber zugenommen hätte. Diese Veröffentlichung wurde von vielen Medien zitiert (Manager-Magazin,Welt, Focus, Deutsche Apotheker-Zeitung, Ärzteblatt).

Was ist da los und wie kann man das erklären ?

Burnout ist eine schwere Erkrankung, die sich regelhaft aus zwei Erkrankungen zusammensetzt: einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schweren Depression und einer körperlichen Erkrankung, nämlich einer schweren Somatisierungsstörung. (Damit sind körperliche Erkrankungen ohne körperlichen Befund gemeint: z.B. Rückenschmerzen ohne Bandscheibenschaden oder Magenbeschwerden ohne Geschwür usw.). Sie machen bis zu 30% der Erkrankungen aus, die Menschen zum Arzt und ins Krankenhaus führen.

Damit sprengt die Burnout-Diagnose unser Klassifikationssystem: Ärzte in Deutschland verschlüsseln alle Diagnosen nach dem ICD-10, einer Klassifikation der WHO. (Patienten kennen diese Verschlüsselung als Abrechnungsziffern ihrer Hausärzte). In dieser Klassifikation finden sich viele Erkrankungen doppelt: so werden Magenbeschwerden ohne Befund einmal als Magenbeschwerden (R10.1), ein anderes Mal als Somatisierungsstörungen (F45.0 oder F45.31) diagnostiziert.

Menschen mit einem Burnout beschreiben eine schwere psychische und körperliche Erschöpfung. Es ist so, als wäre „der Stecker rausgezogen“ oder als würden sie „auf das Gaspedal treten und es geht nicht mehr vorwärts.“ Das hat genauso regelhaft mehrere Gründe, die sich negativ verstärken.

Darauf haben wir in diesem Blog mehrfach hingewiesen (zuerst im Januar 2013, siehe auch den Vortrag zur Burnout-Diagnose unter Infos-Vorträge):

  • Für uns alle sind gesellschaftliche Gründe eine große Herausforderungen.
  • Die Situation in den Betrieben und in den sozialen Berufen haben sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert und verschärft.
  • Dazu kommen individuelle und persönliche Gründe, die letztlich den Ausschlag für die Erkrankung „Burnout“ geben.

All diese Ausführung sollen zeigen, dass es keinen Grund für Entwarnungen gibt. Keine dieser Erklärungen für die Erkrankung Burnout hat sich positiv verändert. Bleibt also, dass es sich bei der Abnahme der Diagnose Burnout nur  um eine Frage der Verschreibung, also um ein statistisches Problem handelt.

Nach wie vor sind also vermehrte Anstrengungen in der Prävention, Frühbehandlung und in der Burnout-Therapie notwendig.

Dazu gehören gesellschaftliche Maßnahmen, Maßnahmen für die Arbeitsplatzsicherheit, die Arbeitsabläufe, den Arbeitslohn, Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheit-Managements (BGM) und schnelle Diagnostik und frühe  bedarfsgerechte Burnout-Therapien.

Über die Schwierigkeiten, die richtige Behandlung für psychische Erkrankungen zu finden

In der SZ vom 27.3.14 wird über eine Podiumsdiskussion im SZ-Gesundheitsforum zur psychischen Gesundheit berichtet. In den folgenden Zeilen finden Sie meinen Leserbrief an die SZ zum Thema:

„Auf einer Podiumsdiskussion ist es schwer, ein so komplexes Fachgebiet wie die Psychiatrie differenziert darzustellen.

Aber auch im Artikel von C. Weber unter dem Titel „Wer hat Angst vorm Seelenarzt“ werden meiner Ansicht nach die Unterschiede nicht richtig deutlich und Ängste vor Stigmatisierung und Zwangsbehandlungen nicht wirklich abgebaut.

Um es kurz darzustellen:

Im Bereich der psychischen Erkrankungen unterscheiden wir zum einen zwischen akuten Erkrankungen und chronischen Erkrankungen und zum anderen  zwischen Erkrankungen, die einer intensiven, hochfrequenten Psychotherapie bedürfen und solchen, die intensiv betreut werden müssen.

Alle vorliegenden Erhebungen belegen eine Zunahme psychischer Erkrankungen (Gesundheitsreport AOK, BAK, DAK). Mit 18,8 % ist die Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen auf Platz zwei der Statistiken in Deutschland.

Die Zunahme ist v.a. begründet durch zunehmenden, chronischen Stress am Arbeitsplatz, durch akute psychischen Krisen, z.B. durch Arbeitsplatzverlust, Beziehungskrisen, depressive Episoden, Angsterkrankungen, Burnout usw.

All diese Patienten brauchen intensive Psychotherapie. Diese kann in personell entsprechend ausgestatteten Psychotherapiestationen in Psychiatrischen Kliniken erbracht werden.

Allerdings ist die Psychotherapie das Kerngebiet der „Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie“, und es wundert mich, dass dieses Fachgebiet im Artikel und anscheinend in der Diskussion gar nicht genannt wird.

Chronische Erkrankungen, psychotische Erkrankungen, Wahnerkrankungen, Suizidalität, und Demenzen bedürfen medikamentöser Behandlung und engmaschiger Betreuung, z.T. in geschlossenen Abteilungen.

Das war schon immer das Kerngeschäft der Psychiatrie, einer Disziplin, die sich erst seit 1994 verstärkt der Psychotherapie zugewandt hat und ihre Abteilungen und ihren Facharzt in Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie umbenannt hat.

In den Klinken beider Fachrichtungen arbeiten psychologische Psychotherapeuten immer in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten, wie meist auch in ambulanten Psychotherapie-Praxen. Ich frage mich, warum das im Artikel als „gefährliche Zweispurigkeit“ bezeichnet wird.

Aber trotz dieser Unterscheidung gibt es immer noch zu wenig Standards und Leitlinien, die Auskunft darüber geben, wann welcher Mensch mit welcher Erkrankung welche Behandlung braucht.

Nach wie vor kann es passieren, dass jemand mit der gleichen Erkrankung bei unterschiedlichen Anlaufstellen unterschiedliche Behandlungsempfehlungen bekommt.

Nach wie vor gibt es Kliniken, in denen die Pharmakotherapie (Behandlungen mit Medikamenten) immer in den Vordergrund gestellt wird, unabhängig von den Problemen und Konflikten der Betroffenen. Aber es gibt auch solche, die nur Therapien anbieten, auch wenn Kombinationsbehandlungen medizinisch unbedingt notwendig wären.

Um das zu ändern, brauchen Patienten mehr Informationen und die Kliniken mehr vergleichende, wissenschaftliche Studien über die Sektorengrenzen (stationär, ambulant) hinweg.

Und ganz nebenbei: Patientinnen mit Magersucht brauchen intensive Psychotherapie und in der Regel keine Zwangsbehandlungen. Das ist inzwischen Standard.“

Self-Tracking, Selbstoptimierung und Psychosomatik ?

Der Markt für Fitness- und mobile Geräte zur Selbstoptimierung boomt. Immer mehr Firmen bringen Geräte und Software auf den Markt, die Körperfunktionen messen. Auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas waren diese neuen Geräte der Megatrend. Experten schätzen, dass dies in Zukunft der Markt mit dem größten Wachstumspotential sein wird.

Diese mobilen Geräte zum Self-Tracking zeigen uns unsere Aktivität an, messen unsere Fitness und sammeln für uns Fitnesspunkte. Sie wachen über die Qualität unseres Schlafes und befriedigen Bedürfnisse, von denen wir noch gar nicht wussten, dass wir sie hatten. Meist lässt sich die neue Software als App auf das Smartphone laden. Die Ergebnisse all dieser Bestimmungen und Messungen kann man auf dem PC speichern und außerdem mit Freunden und Kontakten im Netz teilen.

Und viele dieser Programme, Apps und Gadgets wirken wie Antreiber, die helfen sollen, den „inneren Schweinehund“  zu überwinden (wie in einem Beitrag in der ELLE schön nachzulesen ist).

Doch es geht nicht nur um Lifestyle und einen neuen Modetrend. Die neuen Geräte sollen v.a. den Gesundheitsmarkt revolutionieren. Sie können schon jetzt Blutdruck und Herzfrequenz, Blutzucker und Aktivitäten messen. Der Begriff, den wir in Zukunft öfter hören werden, heisst mobile Health oder mHealth (also mobile Gesundheit).

Aber was interessiert die Psychosomatik an dem neuen Trend zur „Vermessung des Menschen„, wie die Süddeutsche Zeitung am 18.2.14 titelt?

Zum einen werden unrealistische Erwartungen geweckt, wie die Idee, einen Herzinfarkt vorhersagen zu können. Hier wird ganz offensichtlich auch mit den Ängsten von Menschen gespielt; es werden Präventiverfolge versprochen, die wohl noch in den nächsten Jahrzehnten nicht einzulösen sind.

Zum anderen sind die Messungen v.a. von Aktivität, Fitnesspunkten usw. oft ungenau, nicht nachvollziehbar und oft einfach falsch. Wenn das Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder körperlichen Krankheiten anwenden, kann es gefährlich werden.

Dies alles ist ja möglicherweise interessant, informativ, spannend oder lustig. Manchen Menschen hilft es auch, aktiver zu werden, gezielter Sport zu treiben oder notwendige Messungen selbst vorzunehmen. Diese Programme auf Smartphone, PC oder am Arm erleichtern dann Aktivitäten, die man sowieso schon unternimmt.

Unsere Erfahrung ist, dass Menschen, die sich informieren wollen, um ihre Lebensgewohnheiten oder ihr Essverhalten ändern, dies auch ohne solche Programme tun. Sie freuen sich u.U. über die neuen Möglichkeiten, brauchen diese Apps aber nicht wirklich. Und die Menschen, die regelmäßig Sport treiben und ein „gesundes“ Körpergefühl haben, merken selbst, wenn sie schlecht geschlafen oder sich zu wenig bewegt haben.

Für dauerhafte Verhaltensänderungen braucht es mehr als Wissen Ermahnungen und Apps. Sonst gäbe es keinen übergewichtigen Diabetiker, rauchenden Gefäßpatienten oder Hypertoniker. Sonst würden wir uns alle gesund ernähren und regelmäßig Sport treiben.

Aber was machen Menschen, die nicht gelernt haben, mit diesen Informationen umzugehen, diese nicht richtig einordnen können oder einfach Angst bekommen ?

Wie wirken die Hunderte von Informationen über Blutdruck, Blutzucker und unregelmäßigen Herzschlag auf Angst-Patienten und Menschen, die nicht gelernt haben, diese Ergebnisse zu interpretieren. Wer hilft ihnen nachts und an Wochenenden?

Oder: was machen Menschen, die nicht gelernt haben, auf körperliche Anzeichen und Signale zu achten. Ihnen helfen Geräte zum Self-Tracking auch nicht. Es hilft ihnen zwar dabei, sich selbst „zu vermessen“, aber sie müssen sich auch mit diesen Helfern nicht spüren.  Mit diesen Menschen sind solche gemeint, die arbeiten, obwohl sie eigentlich keine Kraft mehr haben. Menschen, die Schmerzen haben und trotzdem weiter Sport machen oder arbeiten, Menschen, die trotz Krankheiten ihr Verhalten nicht danach richten (weiter Rauchen, sich falsch ernähren usw.). Das gilt also für viele Menschen mit Somatisierungs-störungen.

Noch problematischer ist Self-Tracking für solche Menschen, die zu Ängsten, z.T. zu Überängsten neigen. Für diese Menschen sind schon Informationen über Erkrankungen im Internet problematisch, weil sie immer das Schlimmste und den „Worst Case“ befürchten.  Menschen, denen schon allgemeine Informationen über Krankheiten Angst machen, die schon bei jedem kleinen, körperlichen Unwohlsein befürchten, ernsthaft krank zu sein, können durch diese Programme noch schlimmer in den Kreislauf von Kontrollen von Körperfunktionen und letztlich die Kontrolle von Ängsten geraten.

Für diese Menschen sind bereits Beipackzettel bei Medikamenten, Informationen im Internet äußerst beängstigend. Ihnen helfen deshalb auch die neuen Geräte, Programme und Apps nicht. Ganz im Gegenteil: durch die neuen Möglichkeiten werden die Ängste noch verschlimmert, v.a. die Angst vor Kontrollverlust.

Bei solchen Menschen mit Angsterkrankungen führen die neuen Möglichkeiten, eher dazu, die Ängste aufrecht zu erhalten und zu Chronifizierungen.

Deshalb sollten Menschen, die diese neuen Möglichkeiten zur Selbstoptimierung und zum Self-Tracking nicht nur aus Neugier, zum Sport oder und zum Spass verwenden, vorsichtig sein. Wenn sie merken, dass sie von den neuen Helfern abhängig werden und sich immer öfter selbst kontrollieren müssen, um sich zu beruhigen, sollten sie professionelle Hilfen aufsuchen.

Grundsätzlich aber bieten die neuen Geräte und Apps zum Self-Tracking zahlreiche neue Möglichkeiten, die ja auch unabhängiger von Ärzten machen und die Selbstverantwortung stärken können.

 

 

Psychische Gesundheit und Vorbelastungen

In dieser Woche wurde eine Studie der Technischen Universität Dresden zu den Risikofaktoren für psychische Störungen bei Soldaten veröffentlicht. Diese Studie ist deshalb interessant, weil sie zeigt, dass es nicht reicht, nur akute Symptome zu untersuchen und zu behandeln.

Das hatten wir auch schon in einem Blog-Beitrag im Juli beschrieben: „Burnout und Narzissmus- Warum es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln“.

Die Studie von Wittchen, dem Leiter des Instituts für klinische Psychologie an der TU Dresden, ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht alle Menschen gleich stark auf die gleichen Belastungen reagieren. Die Studie mit 2500 Bundeswehrsoldaten belegt, dass jeder fünfte Soldat schon mit einer psychischen „Störung“ in den Auslandseinsatz geht. Dabei handelte es sich unter anderem um nicht erkannte oder nicht behandelte Depressionen, Angsterkrankungen und Alkoholprobleme. Die belastete Gruppe unter den Soldaten hatte ein erhöhtes Risiko, durch den Auslandseinsatz an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, zu erkranken.

Wittchen betont im Interview mit der SZ den herausragenden Stellenwert, den psychische Vorerkrankungen für die Frage haben, ob Soldaten durch den Einsatz psychisch geschädigt werden.

Und aus der Sicht des aufmerksamen Lesers ist erschreckend, dass diese psychische Vor-Belastung nicht erkannt oder diagnostiziert wurde.

Noch schlimmer ist, dass die Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, bei keinem der Soldaten erkannt oder behandelt worden war.

Aus therapeutischer Sicht wird durch diese Untersuchung noch einmal klar, dass unser aller Reaktion auf schwere und schwerste Belastungen davon abhängt, wie unsere Widerstandskraft oder Resilienz is – anders ausgedrückt – wie wir gelernt haben, mit psychischen Belastungen umzugehen.

Vereinfacht gesagt: Menschen, die schon immer ängstlich waren und wenig gelernt haben, mit Ängsten umzugehen, reagieren natürlich in einer angstauslösenden Situation mit vermehrter Angst und Angsterkrankungen. Sie haben – so die Sprache der Studie – eine psychische Vorbelastung oder psychische Vorerkrankung, die ihr Risiko erhöht, eine psychische Erkrankung zu bekommen. Das gilt genauso für Selbstwertprobleme und Narzisstische Krisen, für Depressionen und Suchterkrankungen.

Deshalb haben wir geschrieben, dass es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln, sondern dass es dringend notwendig ist, nach den psychischen Ursachen, die großteils unbewusst sind, zu suchen.

Das ist damit gemeint, wenn wir von einer psychoanalytisch begründeten Therapie sprechen.