Burnout ist kein Modebegriff, sondern eine ernste Situation für die Betroffenen, oft eine schwere Erkrankung.
Meist handelt es sich um eine Kombination von schwerer Depression und einer Somatisierungsstörung mit zahlreichen Beschwerden. Die Betroffenen sind psychisch und körperlich am Ende.
Die Betroffenen brauchen immer häufiger Coaching oder therapeutische Hilfe

Psychische Gesundheit, Stress am Arbeitsplatz, Burnout

Am 8.März 2017 fand im Gasteig in München eine Fachtagung zu einem hochaktuellen Thema statt: „Psychische Gesundheit, Stress am Arbeitsplatz und Burnout.“

Die Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen nimmt in Deutschland kontinuierlich zu. Inzwischen sind sie die dritthäufigste Ursache von Arbeitsausfällen.

Dabei spielen die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz, der Stress im Beruf und Stressfolgeerkrankungen eine zentrale Rolle. Trotzdem ist der Begriff Burnout-Syndrom bei heute umstritten.

Wir haben die aktuelle Diskussion zum Anlass genommen und zu dieser Fachtagung namhafte Experten aus Politik, Medizinsoziologie und Kliniken eingeladen. (Das Veranstaltungsprogramm finden Sie hier).

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat diese Veranstaltung im Rahmen des Jahresschwerpunktes Depressionen bei Erwachsenen und der Kampagne:

Bitte Stör mich ! Aktiv gegen Depressionen  unterstützt:

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml erklärte die Kampagne des Staatsministeriums und warb für ein verstärktes Vorgehen gegen psychische Überlastung am Arbeitsplatz: „Es ist wichtig, gefährlichen Stress am Arbeitsplatz rechtzeitig zu erkennen.“

Prävention durch sichere Bindungen

Privatdozent Dr. phil. Bernhard Grimmer, Psychoanalytiker und psychologischer Psychotherapeut von der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen in der Schweiz beschrieb die Symptome von chronischem Stress und andauernder Überforderungen und belegte dies durch Zahlen des Robert Koch-Instituts. Er erk lärte, dass Streßfolgeerkrankungen durch ein Zusammenwirken von anhaltender psychischer Stressreaktion durch externen und innenpsychischen Stress entstehe und beschrieb die Persönlichkeiten, die besonders gefährdet sind.

Gratifikationskrisen

Professor Dr. Johannes Sigrist, Medizinsoziologe und Seniorprofessor an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf,  sprach über die Chancen und Risiken der modernen Arbeitswelt für die psychische Gesundheit. Er beschrieb die zahlreichen wissenschaftlichen Belege für die gesundheitliche Gefährdung durch chronischem Stress. Sein Forschungsthema sind Gratifikationskrisen und ihre gesundheitliche Folgen. Gratifikationskrisen entstehen bei einem dauerhaften Ungleichgewicht zwischen Verausgabungen und Belohnungen.

Auch er beschrieb die gesundheitsgefährdende Mischung aus inneren Verausgabungsneigung und mangelnder Belohnung durch Gehalt, Aufstiegsmöglichkeiten und Wertschätzung.

Ausgebrannte Ärztinnen und Ärzte

Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der Bayerischen Ärztekammer stellte die Ergebnisse der Untersuchung von 4.000 Ärztinnen und Ärzten aus dem Jahre 2015 vor. Nach dieser Befragung geben 77 der Ärzte* an, dass ihr Privat- und Familienleben unter der beruflichen Belastung leiden. 59 % der Befragten fühlen sich durch ihre Tätigkeit psychisch belastet.

Frau Dr. Lux wies auf die Gesundheitsgefährdung von Ärztinnen und Ärzten und die Gefahr von Suchtentwicklungen hin und stellte das Programm „Hilfe statt Strafe“ der Bayerischen Landesärztekammer für Suchtkranke Ärztinnen und Ärzte vor.

Burnout ist keine Krankheit

Prof. Hillert, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefarzt an der Schön Klinik Roseneck, setzte sich kritisch mit der Diagnose Burnout auseinander und beschrieb den Begriff betrachtete den Begriff aus den verschiedenen Perspektiven. Burnout sei keine Krankheit und als wissenschaftliche Diagnose nicht haltbar. Er betonte aber auch, dass der Begriff dazu dienen könne, chronische Überlastungen und Stressfolgeerkrankungen zu enttabuisieren.

Im Bayerischen Ärzteblatt (Nr. 4, 72. Jahrgang, April 2017) finden Sie einen Artikel von J. Müller über dieses Symposium.

Burnout und Narzissmus

Menschen mit einem behandlungsbedürftigen Burnout leiden unter totaler körperlicher und psychischer Erschöpfung (schwerer Depression und zahlreichen körperlichen Beschwerden). Das stellt für die Betroffenen immer einen Notfall dar: sie sind nicht mehr arbeitsfähig und stecken  in einer tiefen Sinnkrise.

Burnout kann viele Ursachen haben und trifft Menschen in fast allen Schichten, Berufsfeldern und mit oft einem persönlichen Risikoprofil.

Trifft diese Krise aber Menschen, die zusätzlich unter eine narzisstischen Problematik leiden, kommt es oft zu zusätzlichen Problemen schon in der Wahl der Berater, Coaches oder Therapeuten und zu ganz besonderen Problemen in den Therapien. (Hier ist der Narzissmus als Persönlichkeitsproblem* gemeint).

Woran liegt das?

Narzissten ertragen berufliche oder private Krisen meist sehr schwer. Oft werden von ihnen Schwächen jahrelang überspielt, ignoriert oder ausgeblendet.

Außerdem tun sie sich schwer, Hilfe von anderen Menschen anzunehmen. Echte Gefühle von Bedauern, Traurigkeit und das Eingestehen von Niederlagen versuchen sie, immer wieder zu überspielen.

Von Coaches und Therapeuten verlangen sie oft, das seelische Gleichgewicht und den Erfolg möglichst schnell wieder herzustellen und nicht so viele Fragen zu stellen. Diese werden oft als Kritik verstanden.  So verständlich diese Wünsche sind,  so unmöglich ist es oft, denen gerecht zu werden.

Denn in Therapien kann es nicht nur darum gehen, den Betroffenen zu schmeicheln, sie zu bestätigen und ihnen ein paar Tipps zu geben. Es ist auch meist nicht möglich, diese Menschen so schnell wie möglich wieder funktionsfähig zu machen. Auch wenn die Betroffenen sich meist nichts anderes wünschen.

Eine solche Art von Reparatur haben die meisten Menschen aber oft Jahre selbst schon erfolglos versucht. Wenn kluge Ratschläge, Tipps oder kluge Strategien alleine helfen würden, bräuchten Narzissten in Krisen keine professionellen Hilfen.

Oft ist es aber notwendig, sich mit den Gründen für das Scheitern auseinander zu setzen und zu verstehen, was die Betroffenen immer wieder überspielt haben. Sich dabei aber mit sich selbst, oder den Gründen für Niederlagen auseinander zusetzen wird von Narzissten oft schwer ertragen und deshalb immer wieder vermieden.

Narzissten zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie zwar sehr ergeizig, aber auch vom Erfolg abhängig sind. Sie brauchen den beruflichen und privaten Erfolg zur Stabilisierung des Selbstwertgefühls. Sie haben ein außerordentliches Bedürfnis nach Anerkennung und lieben es, sich als besonders großartig, erfolgreich und leistungsstark darzustellen. Oft sind sie über Jahre Leistungsträger in Firmen und in ihrem privaten Umfeld.

Alle Probleme oder Warnsignale, die darauf hinweisen könnten, dass der Erfolg gefährdet sein könnte, werden von Narzissten ignoriert. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen mit einem narzisstischen Persönlichkeit oft Warnsignale sowohl in Firmen, als auch bei ihrer eigenen Gesundheit lange ausblenden.

Aber wenn dann schnelle Hilfe nicht möglich ist, wird der Coach oder Therapeut oft dafür verantwortlich gemacht, beschuldigt, entwertet und oftmals als unfähig beschimpft.

Bei Narzissten ist es oft die Kränkung, die schwer ertragen wird und das Eingeständnis evt. einen Fehler gemacht zu haben.

Dabei gibt es wie auch bei der Burnout-Behandlung in Coaching und Therapie keine Alternative dazu, sich mit den Ursachen der Krise zu beschäftigen, auch wenn das manchmal schwer fällt oder schmerzlich ist.

* Narzisstische Persönlichkeit entsprechend der psychoanalytischen Theorie von Kohut, Kernberg und Mahler

Burnout bei Landwirten und Landfrauen

Burnout ist eine schwere, behandlungsbedürftige Erkrankung (siehe zahlreiche Beiträge Burnout in diesem Blog). In der Landwirtschaft ist das Risiko, an einem Burnout zu erkranken, besonders hoch.

Darauf haben u.a. ein Beitrag im Bayerischen Fernsehen (BR2) und zwei Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 27.11.2015 und 13.1.2016 hingewiesen.

Woran liegt das?

In der Regel führen mehrere Faktoren zu einem Burnout, die bei Landwirten und Landfrauen alle zutreffen:

  1. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die wirtschaftliche Situation werden für Landwirte immer schwieriger. V.a. die „Industrialisierung schreitet dramatisch voran“ und führt dazu, dass immer mehr Milchbauern aufgeben (Das Märchen vom Bauernstand“, SZ, 13.1.2016).
  2. Der Alltag in der Landwirtschaft ist durch die Arbeit 24 Stunden an 365 Tagen vorbestimmt. In der Regel gibt es keine Auszeit und kein Entkommen.
  3. Landwirte und Landfrauen haben ein großes Verantwortungsbewußtsein, eine hohe Arbeitsmoral. Sie schonen sich selbst nicht und arbeiten in der Regel weit über ihre körperliche und psychische Belastungsgrenze.

Dies alles wird dadurch erschwert, dass Landwirte sich oft schwer damit tun, jemanden um Hilfe zu bitten oder über ihre Belastungen zu reden. 

Trotzdem und gerade deswegen brauchen Landwirte und Landfrauen professionelle Hilfe. (Unserer Erfahrung nach tragen oft die Landfrauen die größte Last).

Diese bieten wir in zwei psychosomatischen Kliniken an:

  • in Oberbayern in Ebersberg bei München in der Psychosomatischen Klinik in der Kreisklinik
  • in Niederbayern in der Psychosomatischen Abteilung in Passau und Wegscheid

Dabei sind wir in Kontakt mit der SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) und helfen den Betroffenen bei der Organisation einer Behandlung , wenn notwendig mit Haushaltshilfen oder Betriebshilfen.

Burnout und Selbstoptimierung

Der Stress nimmt zu – überall.

Je nach Perspektive geht es um politische Aspekte, Stress am Arbeitsplatz, betrieblicher Gesundheitsförderung und persönlichen Stress.

In der SZ (3.12.15) wurde die Überförderung  als „Stress, den wir uns selbst machen“ und „Tyrannei der Selbstoptimierung“ beschrieben.

Und in der Tat: Viele Menschen, die mit behandlungsbedürftigem Burnout in  Behandlungen kommen, haben sich über Jahre selbst „ausgebeutet“, ohne auf ihre körperlichen und psychischen Grenzen zu achten.

Da wundert es nicht, dass sie mit schweren Depressionen  und zahlreichen körperlichen Beschwerden (Somatisierungsstörungen) in Behandlungen kommen.

Wer jahrelang versucht hat, über seine Grenzen zu gehen, 150 % zu leisten, nicht gespürt, hat dass es zuviel ist, usw. braucht sich nicht zu wundern, dass er/ sie krank wird.

V.a Menschen mit hohem Anspruch an sich selbst, viel Verantwortungsgefühl, Perfektionismus, strikten Moralvorstellungen sind Burnout-gefährdet.

Und diese Beschwerden und Haltung muss behandelt werden. Dazu sind intensive, psychodynamische Psychotherapie, konfliktzentrierte Behandlung und nicht nur ein optimiertes Verhalten notwendig.

ESC-Vorentscheid – A. Kümmert macht nicht mehr mit – Nein-Sagen als Chance

Heute bekam ich mitten in der Arbeit einen überraschenden Anruf vom Deutschlandradio Kultur mit einer Anfrage für ein Live-Interview zwei Stunden später. Ohne große Vorbereitung sagte ich zu. In der Früh hatte ich zwar über die Ereignisse um den ESC-Vorentscheid in Hannover kurz gelesen, aber die Hintergründe noch nicht verstanden.

Erst nach dem von mir eher allgemein gehaltenen Interview wurde ich richtig neugierig, las die Presse-Mitteilungen und schaute mir die You-Tube Videos an:

Und wieder war ich erstaunt:

Da feierten Menschen sich selbst und ihr Format und merken nicht, wie irritiert und an manchen Stellen unsicher der Hauptdarsteller, Herr A. Kümmert, war (bei den Umarmungen, als ihm das Mikro entwendet wurde….).

Hätten sich die Verantwortlichen nicht auch vorher schon fragen können, warum Herr K. nach der Wahl zur Voice of Germany nicht mit auf Tournee gegangen war, warum er sich mit Interviews schwer tat usw…..

Warum kleidet sich Herr K. anders, als die austauschbaren, ge’streamline’ten Mitbewerberinnen?

Ich kenne Herrn K. nicht und will und kann mir kein Urteil erlauben.

Aber sein mutiger Schritt verdient Respekt und Hochachtung. Da hat mal jemand auf sich geachtet und „die Reissleine gezogen.“ 

Und die Reaktionen im Publikum und in der Öffentlichkeit ?

Man konnte de Buhrufe hören und liest über die heftige, abwertende, fast vernichtende Kritik.

  • Wie Schwarz-Weiss denken wir eigentlich ?
  • Warum ist alles entweder hervorragend oder gar nichts wert ?
  • Warum folgt auf jede Bewunderung und Idealisierung („Vergötterung“) so schnell die Entwertung und oft die mediale „Vernichtung“ ?
  • Warum sind die emotionalen Reaktionen so heftig ?

Wie selbstunsicher und erfolgsgetrieben sind wir selbst eigentlich alle und die Medien, die uns einen Spiegel vorhalten ?

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar in der ZEIT: Andreas Kümmert: Dieser Mensch gehört Euch nicht.“