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ESC-Vorentscheid – A. Kümmert macht nicht mehr mit – Nein-Sagen als Chance

Heute bekam ich mitten in der Arbeit einen überraschenden Anruf vom Deutschlandradio Kultur mit einer Anfrage für ein Live-Interview zwei Stunden später. Ohne große Vorbereitung sagte ich zu. In der Früh hatte ich zwar über die Ereignisse um den ESC-Vorentscheid in Hannover kurz gelesen, aber die Hintergründe noch nicht verstanden.

Erst nach dem von mir eher allgemein gehaltenen Interview wurde ich richtig neugierig, las die Presse-Mitteilungen und schaute mir die You-Tube Videos an:

Und wieder war ich erstaunt:

Da feierten Menschen sich selbst und ihr Format und merken nicht, wie irritiert und an manchen Stellen unsicher der Hauptdarsteller, Herr A. Kümmert, war (bei den Umarmungen, als ihm das Mikro entwendet wurde….).

Hätten sich die Verantwortlichen nicht auch vorher schon fragen können, warum Herr K. nach der Wahl zur Voice of Germany nicht mit auf Tournee gegangen war, warum er sich mit Interviews schwer tat usw…..

Warum kleidet sich Herr K. anders, als die austauschbaren, ge’streamline’ten Mitbewerberinnen?

Ich kenne Herrn K. nicht und will und kann mir kein Urteil erlauben.

Aber sein mutiger Schritt verdient Respekt und Hochachtung. Da hat mal jemand auf sich geachtet und „die Reissleine gezogen.“ 

Und die Reaktionen im Publikum und in der Öffentlichkeit ?

Man konnte de Buhrufe hören und liest über die heftige, abwertende, fast vernichtende Kritik.

  • Wie Schwarz-Weiss denken wir eigentlich ?
  • Warum ist alles entweder hervorragend oder gar nichts wert ?
  • Warum folgt auf jede Bewunderung und Idealisierung („Vergötterung“) so schnell die Entwertung und oft die mediale „Vernichtung“ ?
  • Warum sind die emotionalen Reaktionen so heftig ?

Wie selbstunsicher und erfolgsgetrieben sind wir selbst eigentlich alle und die Medien, die uns einen Spiegel vorhalten ?

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar in der ZEIT: Andreas Kümmert: Dieser Mensch gehört Euch nicht.“

Psychische Gesundheit und Männergesundheit: auch Männer haben eine Psyche !

Männergesundheit ist ein vernachlässigtes Thema bei Ärzten und Patienten. Und das liegt nicht daran, dass Männer keine gesundheitlichen Probleme haben. Aber Männer vernachlässigen ihre Gesundheit oft und Ärzte diagnostizieren Erkrankungen bei Männern erst spät (s.u.).

Und wer im Netz sucht, stösst auf nur wenige ernst zu nehmende ärztliche Informationen. Unter dem Schlagwort: Männermedizin und Männergesundheit findet man neben urologischen Praxen v.a. Angebote von Ärzten, die Anti-Aging, Molekulare Medizin u.a. oder chirurgische Eingriffe an Penis und Hoden anbieten.

An seriösen Angeboten fallen v.a. die Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts (s.u.), der Stiftung Männergesundheit und das „Männergesundheitsportal“ der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, BZgA, auf.

Das Robert Koch Institut hat z.B. 2014 einen umfangreichen Bericht zur „Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland“ veröffentlicht.

In diesem Bericht wird sehr deutlich, dass sich Männer und Frauen bei fast allen Aspekten von Gesundheit und Krankheit unterscheiden:

Wir alle wissen, dass es typische Erkrankungen von Frauen und Männern gibt. Wir wissen vielleicht auch noch, dass das Auftreten der Erkrankungen altersabhängig ist.

In dem Bericht des Robert-Koch-Instituts zur „Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland„wird aber darüber hinaus deutlich, dass sich Frauen und Männer ganz grundsätzlich bei den gesundheitlichen Verhaltensweisen, bei der Wahrnehmung von Krankheitssymptomen, bei der Kommunikation darüber und v.a. bei der Inanspruchnahme, d.h. bei der Frage, wann geht ein Mensch zum Arzt, ganz wesentlich unterscheiden.

Immer wieder wird bemängelt, dass Männer weniger zu Ärzten und weniger in Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen gehen. Deshalb gibt es zahlreiche Initiativen, wie z.B. des Gesundheitsministeriums, (BMG), das Männer zu  mehr Gesundheitsbewusstsein, mehr Aktivität und Teilnahme  an Vorsorgeuntersuchungen auffordert.

Hier wollen wir nur auf die Psychische Gesundheit von Männern eingehen und beleuchten, ob Männer wirklich weniger unter psychischen Erkrankungen leiden (oder mit psychischen Problemen weniger zum Arzt gehen) als Frauen.

Denn tun sie das wirklich weniger ? Die Häufigkeit von Krankheiten bei Männern ist wohl eher stark altersabhängig. Un es kommen noch ein paar Faktoren dazu:

Wenn man die Untersuchungen genauer ließt, fällt auf, dass Jungen dreimal häufiger als Mädchen unter Hyperaktivität, Aggressivität und der Aufmerksamkeits/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden.

Männer in den mittleren Jahren tauchen aber in den Statistiken oft jahrelang nicht mehr auf.

Und wir müssen uns fragen: sind Männer im jungen Erwachsenen-Alter wirklich weniger krank oder werden Krankheiten bei Männern weniger häufig diagnostiziert ?

Zu der Fragestellung passen Untersuchungen, die nachweisen, dass Ärzte und Ärztinnen bei Männern weniger Depressionen diagnostizieren oder Depressionen weniger häufig erkennen.

Dabei ist unter Ärzten bekannt, dass Männer unter anderen Symptomen als Frauen leiden: Männer haben häufiger „Ärgerattacken“, Aggressivität, Feindseligkeit, innere Unruhe und antisoziales Verhalten. Männer leiden auch viel häufiger unter unspezifischen, körperlichen Symptomen (Somatoformen Erkrankungen), die oft nicht als depressive Symptomatik oder Burnout erkannt wird.

Und  es gibt wohl auch ein typisches Diagnose- und Verschreibungsverhalten von  Ärzten: wenn v.a. männliche Ärzte sich eigene psychische Schwächen und Überforderungen nicht eingestehen, können sie es wohl auch nicht beim Patienten diagnostizieren (neu deutsch: Gender Bias).

Und die Männer selbst gehen wohl erst dann zum Arzt (und in medizinische und psychosomatische Behandlungen), wenn es gar nicht anders mehr  geht. Das ist auch die Erfahrung der meisten Ärzte.

Die Ursachen dafür werden an vielen Stellen diskutiert („Männlichkeit„, Männerbild, Rollenverständnis usw.).

Das führt zu späten Untersuchungen und Diagnosen und ist vermutlich der Grund für die steigende Häufigkeit von körperlichen und psychischen Erkrankungen von Männern im Alter und von den erschreckenden und steigenden Selbstmordraten von Männern mit steigendem Alter.

Es ist also dringend notwendig, frühe Angebote für Männer zu machen und ihnen dabei zu helfen, sich nicht erst an Ärzte oder Psychotherapeuten zu wenden, wenn sie nicht mehr anders können.

In unserer Psychosomatischen Abteilung bei München nehmen wir dieses Thema schon lange sehr ernst und beschäftigen wir uns schon lange mit dem Thema.

Es ist deshalb auch kein Wunder, dass wir in unserer Abteilung seit Jahren viele Männer in allen Altersgruppen behandeln. Der Anteil von Männern in unseren Behandlungen ist Vergleich zu anderen Psychosomatischen Abteilungen hoch und liegt bei bis zu 48 % unserer Patienten.

In Zukunft werden wir auch eine spezielle Männersprechstunde anbieten, in der sich vier erfahrene männliche Ärzten unserer Abteilung (die gleichzeitig Psychotherapeuten sind) speziell um die Probleme, Erkrankungen und Konflikte von Männern aller Altersstufen kümmern.

Sind APPs für psychische Gesundheit Überwachung ?

Self-Tracking oder Selbst-Überwachung liegen im Trend: in diesem Blog haben wir mehrfach über den neue Geräte zum Messen der Fitness, zur Datensammlung über Bewegung, Aktivität und zur Messung von Gesundheitsdaten (wie Blutdruck, Puls, Blutzucker usw.) berichtet.
(siehe auch Blog über Aktivitätstracker vom 9.8.2014).
Neu sind Versuche, auch die psychische Gesundheit zu messen und, was schlimmer ist, die psychische Gesundheit zu überwachen.
Dazu berichtet die SZ am 29.10.14 von abenteuerlichen Versuchen von Wissenschaftlern, Forschern und Psychologen von Menschen Profile zu erstellen, die Aufschluss über Aktivitäten, Bewegungsprofile, Sozialverhalten, über möglichen sozialen Rückzug, über die Anzahl der Kontakte und sogar über SMS mit „schwermütigen“ Inhalten geben.

Siehe dazu auch den Retweet auf der zweiten Seite dieses Blogs:
#Psychosomatik EBE @pso_ebe: So einfach ist es nicht !! „Max-Planck-Institut: Wie Ärzte mit einem Schnelltest Depressionen erkennen können.“
Das ist skandalös und unethisch. Hier werden simple Erfassungen von „Symptomen“, Ferndiagnosen und Verletzungen des Datenschutzes mit einander kombiniert.
Es klingt abenteuerlich, wenn  es in dem SZ-Artikel heisst: „ein Smartphone-Programm der Universität Michigan soll mit Sprachanalysen Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenien und Parkinson diagnostizieren können“.
Und auch an der Universität Bonn setzen Psychologen, Psychiater und Informatiker Smartphone-Daten bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ein. Sie nennen das neue Forschungs-Gebiet „Psycho-Informatik“ !!
Es soll wohl wie eine Beruhigung klingen, dass die Informatiker sagen, sie wollten den Arzt nicht ersetzen.
Wem soll das nützen ? Den betroffenen Menschen sicher nicht !
An dieser Stelle muss wohl deutlich auf die Notwendigkeit von professioneller psychischer Diagnose-Stellung und Behandlung hingewiesen werden.
Für eine  medizinische und psychische/psychotherapeutische Diagnostik gibt es Standards:
1. Jede Untersuchung muss mit dem Einverständnis der Betroffenen stattfinden.
2. Diagnosen sind mehr als nur Sammlung von Symptomen (s.o.)
3. Zur Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen ist die Anwesenheit von Experten (psychologischen oder ärztliche Psychotherapeuten) notwendig, die die Schweigepflicht garantieren.
4. Experten erkennen und fragen nicht nur nach den verbalen Äußerungen und Erklärungen von Betroffenen (den Worten). Zur Diagnostik gehören auch die nicht spontan geäußerten, non-verbalen Mitteilungen des „Patienten“. Um diese zu erkennen, zu verstehen und gezielt nachfragen zu können, ist ein medizinisch/therapeutisches Gespräch unter vier Augen notwendig.
5. Ärzte und Psychotherapeuten, die eine Diagnostik durchführen brauchen eine solide Ausbildung und jahrelange Erfahrung (Das wird durch Psychotherapeuten- und Ärztekammern sicher gestellt).
4. Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und alle anderen psychischen Erkrankungen haben Ursachen. Dies müssen in einem geschützten, der Schweigepflicht verpflichteten Gesprächssituation besprochen werden.
5. Viele Ursachen für Erkrankungen sind unbewusst. Es braucht ein Gegenüber und keine APPs, die den Betroffenen dabei helfen, mögliche Ursachen und Zusammenhänge bewußt zu machen.
Alles andere ist unverantwortlich.
Hier scheint es eher um wissenschaftliche Interessen und „Überwachung„, als um Hilfe, Beratung, Diagnostik, Behandlung und Wertschätzung zu gehen.
Nicht auszudenken ist der mögliche Missbrauch der so erfassten Daten durch Stellen, die diese Informationen nichts angehen (Arbeitgeber, Behörden….). Das wird in dem zitierten Artikel allerdings zum Schluss auch erwähnt.

Immer noch versuchen einzelne Psychotherapeuten, Homosexualität „zu behandeln“ !?

Durch einen Artikel in der ZEIT vom 8.5.14 und einen Beitrag vom gleichen Autor in der Sendung Panorama (ARD, 8.5.14, 21.45 Uhr) fühlt man sich in  finstere Urzeiten der Medizin und Psychotherapie zurück versetzt: „Wie mich zwei Ärzte von meinem Schwulsein heilen wollten“ titelt Christian Decker in der ZEIT.

Im Artikel beschreibt er „Evangelikale Christen“, ihren Dachverband, die Deutsche Evangelische Allianz, und den Bund Katholischer Ärzte, die Homosexualität als Sünde ansehen. In dem Artikel heisst es auch, der Evangelischen Allianz stünden 11,3 Millionen evangelische Christen nahe. Der Autor beschreibt sehr bizarre Kontakte und Gespräche mit Ärzten, die versucht haben, ihm ihre Weltanschauung einzureden oder ihre religiösen Überzeugungen überzustülpen.

Auch vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen habe ich Informationen über Versuche, so genannte „Umorientierungs“Therapien auf Kosten der Krankenkassen abzurechnen.

Zu einer pathologisierenden (krank machenden) Haltung gegenüber Homosexuellen haben auch die Psychoanalytischen Ausbildungsinstitute lange beigetragen, die bis vor einigen Jahrzehnten Homosexuelle nicht als Ausbildungskandidaten zugelassen haben.

In dem Artikel hat der Autor die Ärzte allerdings auch bewusst in eine Falle gelockt: Er hat vorgegeben, etwas gegen seine Homosexualität unternehmen zu wollen.

Schwieriger wird es für Betroffene, wenn Sie mit einem psychischen Problem eine Therapie suchen (und z.B. homosexuell sind). Wenn Ärzte dann ihre eigenen Wertvorstellungen in die Behandlungen einfliessen lassen, ohne das deutlich zu machen, wird ein Patienten manipuliert, ohne es gleich zu merken.

Das ist v.a. für selbst-unsichere Patienten ein großes Problem, die oft hilflos nach Ratschlägen suchen. Aber die Wertvorstellungen von Ärzten und Psychotherapeuten haben in Behandlungen und Therapien nichts zu suchen. Wenn Ärzte ihre eigenen Wertvorstellung in die Behandlung einfliessen lassen, arbeiten sie umprofessionell und gehen über den Behandlungsauftrag hinaus.

Das verstösst gegen die Berufsordnung, gegen wissenschaftliche Standards, gegen Ethik-Leitlinien und klingt nach Kassenbetrug !

Und die Vermutung liegt nahe, dass das häufiger vorkommt als öffentlich bekannt wird. Im Artikel wird auch beschrieben, dass einzelne Therapeuten, Kassenanträge stellen und vorgeben, eine „Richtlinienpsychotherapie“ durchzuführen, aber unter diesem Deckmantel versuchen, gesunde Menschen zu Patienten zu machen, ganz anders behandeln und sie zu manipulieren. (Das gibt es wohl nicht nur bei dem Thema der Homosexualität).

Zur Erklärung:

  • die Berufsordnungen verpflichten Ärzte und Psychotherapeuten, Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln und nicht Gesunde.
  • In den Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss werden behandlungsbedürftige „psychische“ oder „seelische “ Erkrankungen definiert und die Therapien beschrieben, die auf Kosten der Krankenkassen abgerechnet werden dürfen.
  • Dabei handelt es sich um Psychotherapieverfahren, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Diese müssen in anerkannten Weiterbildungsinstituten gelernt werden und haben bestimmte Standards, die die Ärzte im ZEIT-Artikel nicht angewandt haben
  • Ethik-Leitlinien legen fest, dass Psychotherapien neutral, unabhängig und wertfrei zu sein haben. (Die meisten Ausbildungsinstitute und viele Berufsverbände haben solche Leitlinien, auf die sich die Mitglieder festlegen).
  • Es klingt sehr nach Kassenbetrug, wenn andere Themen behandelt werden oder anders behandelt wird, als im Kassenantrag angegeben wird.

Ws heisst das für Betroffene oder Menschen in Krisen?

  • klären Sie mit dem behandelnden Arzt und Psychotherapeuten die Therapieziele und den Behandlungsauftrag
  • informieren Sie sich nach dem Therapieverfahren
  • wehren Sie sich gegen Wertvorstellungen und Manipulationen von Ärzten und Psychotherapeuten
  • Suchen Sie sich eine Zweitmeinung, wenn Sie unsicher sind
  • Melden Sie solche Vorkommnisse bei den Ärztekammern oder Psychotherapeutenkammern !!

Informationen über posttraumatische Belastungsstörung – PTBS und Behandlungen

Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf die gleichen Ereignisse. Für alle Menschen aber gilt, dass sie dann psychisch erkranken, wenn das Erlebte die Bewältigungsstrategien und psychischen Ressourcen  überfordert. Das gilt ganz besonders auch für psychische Verletzungen und Traumen.

Mit Posttraumatischen Belastungsstörungen, PTBS,  sind psychische Symptome und eine Erkrankung gemeint (s.u.), die nach schweren Verletzungen / Traumatisierung auftreten.

Im Folgenden werde ich die wichtigsten Fakten zu diesem Krankheitsbild zusammenzutragen. Dabei beziehe ich mich auf eine Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt (Frommerer et. al: Post-Traumatic Stress Disorder, Dtsch. Arzteblatt Int. 2014,; 111(5), 59.-65) und die S3-Leitlinie der AWMF zur Posttraumatischen Belastungsstörungen, PTBS. (Die Patientenfassung dieser Leitlinie finden Sie unter Infos in diesem Blog).

An dieser Stelle ist mir der Hinweis wichtig, dass Menschen, die unter Symptomen der hier beschriebenen Trauma-Folgestörungen leiden, unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollten.

Der Traumabegriff wird von Laien und Experten sehr unterschiedlich gefasst. In den Leitlinien werden als Trauma nur außergewöhnliche, (potentiell) lebensbedrohliche äußere Ereignisse bezeichnet oder solche Ereignisse, die mit schweren Verletzungen einhergehen und die bei jedem Menschen zu einer seelischen Erschütterung führen können.

Die psychischen Folgen von schweren, nicht lebensbedrohlichen Belastungen wie z.B. Scheidungen, Trennungen, Tod eines Angehörigen, Verlust des Arbeitsplatzes und Mobbing werden nicht unter dieser Definition von Trauma verstanden, selbst wenn auch nach solchen Ereignissen PTBS-typische Symptome (s.u.) auftreten können.

Und wir als Psychotherapeuten wissen, dass viele Menschen mit psychischen Erkrankungen früher in ihrer Lebensgeschichte traumatisiert worden sind. So liegt der Anteil z.B. bei Borderline- Persönlichkeitsstörungen bei 50 – 70 %, bei anderen psychischen Erkrankungen, wie Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen niedriger.

Aber nicht alle Menschen bekommen nach einem Trauma eine Trauma-Folgestörung: In großen, repräsentativen Studien wurde nachgewiesen, dass zwar 60 % der amerikanischen Bevölkerung einmal in ihrem Leben ein Trauma nach dieser Definition erlebt hatten, aber nur 8% der Männer und 20% der Frauen an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, erkrankt waren.

Die Ursachen dafür werden kontrovers diskutiert. Einig sind sich die Experten allerdings darüber, dass die Häufigkeit einer PTBS von der Schwere und Dauer des Traumas abhängt. Bei dem Schutz vor Symptomen einer PTBS spielen wohl die Stabilität des sozialen Umfelds und die Resilienz (Widerstandskraft) eine Rolle (siehe Beitrag dazu in diesem Blog).

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Zu den typischen Reaktionen auf Traumen gehören eine große Anzahl von Symptomen. Ganz im Vordergrund steht für die Betroffenen das intensive, sich aufdrängende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von Erinnerungen, Bildern und Alpträumen. Den Betroffenen gelingt es nicht, diese Erinnerungen und Affekte in den Griff zu bekommen oder zu kontrollieren.

Der Versuch, diese Erinnerungen und Gefühle wegzuschieben, zu verdrängen, zu verleugnen und zu vermeiden, führt oft zu dauerhaften Anspannungen, latenter Unsicherheit, Nervosität, starken Stimmungsschwankungen und oft zu Chronifizierungen.

Außerdem berichten Menschen mit Trauma-Folgestörungen regelmäßig von Erinnerungslücken, emotionalem Abschotten, Dissoziationen (Gefühl der Fremdheit, „Neben sich stehen“), körperlichen und psychischen Unruhezuständne, Nervosität, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Schreckhaftigkeit, Anspannungen, Stimmungsschwankungen, Wutausbrüchen, Gereiztheit, Scham- und Schuldgefühlen, oft von Selbstverletzungen.

Behandlungen: Die Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen hängt von dem Trauma, dem Zeitpunkt und der Schwere ab:

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Im ersten Kontakt mit traumatisierten Menschen ist ein emotionaler Beistand wichtiger als eine Psychotherapie.  Wegen der Heftigkeit der Ereignisse ist eine Sicherheit gebende, anteilnehmende Haltung entscheidend.

Erst im späteren Verlauf und bei gravierenden Symptomen ist eine baldige Einleitung einer Psychotherapie notwendig.

Diese sollte nach den vorliegenden Studien zuerst ambulant durchgeführt werden und eine „traumafokussierte Psychotherapie“ sein.

 

Dabei liegen für die kognitive Verhaltenstherapie und die EMDR (Eye Movement Desensibilitation and Reprocessing Therapy“) die besten Ergebnisse zur Evidenz (Wirksamkeit) vor.

Für psychodynamische Therapien zur Behandlung von PTBS liegen bisher keine ausreichenden Daten aus kontrollierten Studien zu Wirksamkeit und Effektstärken vor. Sie sind je nach individueller Diagnostik und Situation der Betroffenen anzuwenden.

Bei der medikamentösen Behandlung liegen in randomisierten kontrollierten Studien die besten Ergebnisse für Antidepressiva (SSRI) vor.

Reichen diese Behandlungen nicht aus, sind stationäre psychotherapeutische Behandlungen notwendig.

Weitere Informationen finden Sie bei den Seiten der AWMF (s.o.), der deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie und beim Trauma-Netzwerk von Frau Dr. med. Beckrath-Wilking.