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Ängste aushalten – Psychische und gesellschaftliche Ursachen von Angst

Ängste gehören zum Leben dazu. Ängste helfen uns dabei, Gefahren zu erkennen und zu vermeiden. Oft waren es Ängste und das Streben nach Sicherheit, die zu gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen geführt haben.

Max Frisch hat es einmal so formuliert: „ Angst ist ein fester Bestandteil unserer Lebens, weil es ohne diese Angst, die unsere Tiefe ist, kein Leben gibt.“

In der Gesellschaft, wie auch bei gesundheitlichen Fragen, müssen Menschen lernen, mit ihren Alltags-Ängsten umzugehen und Fähigkeiten zur Angstbewältigung entwickeln.

Das lernen wir alle schon in den ersten Lebensjahren. Und je sicherer jemand aufwächst und je  besser er/sie gelernt hat, mit Ängsten umzugehen, desto besser kommen er/sie im späteren Leben mit angstauslösenden Situationen zurecht (Resilienz).

In diesem Zusammenhang wird verständlich, dass Menschen, die bestimmte Sicherheiten nicht erlernen konnten, ein erhöhtes Risiko haben, Ängste zu entwickeln, Oft ist die Angst hinter der Angst- un dPanikattacke eine Angst vor Kontrollverlust, die in plötzlich auftretenden unerwarteten Situationen zu Panikattacken führen kann.

Da kann dazu führen, dass Angst übermächtig wird und sich manche Menschen vor lauter Angst, z.B. nicht mehr aus dem Haus trauen, unter Panikattacken leiden oder spezifische Ängste vor Höhen, Angst auf öffentlichen Plätzen, Flugangst oder Ängste vor Dunkelheit entwickeln.

Psychotherapeuten sprechen von „Generalisierte Angststörung“ (F41.1), „Panikstörung„, F41.0) „soziale Phobien“ (F40.0) oder „Agoraphobie“ (Angst vor öffentlichen Plätzen, F40.1.) und spezifischen Phobien (z.B. auch vor Tieren).

All diese Erkrankungen  lassen sich gut und erfolgreich mit den Standard-Therapieverfahren (Verhaltenstherapie und psychodynamische Psychotherapie*) behandeln.

Psychische und gesellschaftliche Ursachen von Angst

Im Anschluss an die gesundheitlichen und psychischen Aspekte von Ängsten möchte ich einen Transfer zur gesellschaftlichen Diskussion machen: überall in der politischen Debatte der letzten Monate in Deutschland wird deutlich, dass die Unfähigkeit, mit Ängsten umzugehen, in der Gesellschaft wächst.

So ist auch zu verstehen, dass immer mehr Menschen angesichts von Bedrohungen für Reichtum, Wohlstand und Sicherheit in einer globalisierten Welt nach alten Lösungen suchen. Sie wünschen sich einen Nationalstaat und geschlossene Grenzen zurück. In der ängstlichen Gesellschaft werden alles Fremde und Unbekannte abgelehnt.

Besonders deutlich wird das auch bei der Berichterstattung von Straftaten, dem Amoklauf in München und dem ersten Terrorangriff in Berlin im Dezember in Deutschland:

Die Medien und Politiker überschlagen sich mit immer neuen Vorschlägen zu verschärften Gesetzen (obwohl die existierenden nur angewendet werden müssten) und immer neuen Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt (geschlossene Grenzen, Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, Betonpfosten gegen LKW-Attacken, Fußfesseln, Videoüberwachung ………..).

Damit soll die Bevölkerung anscheinend beruhigt werden und der Schein aufrecht erhalten werden, eine absolute Sicherheit sei möglich. 

Der Soziologe Heinz Bude sagt dazu in einem Interview in der SZ vom 27.12.16: Die Parteien haben Angst vor der Angst der Leute“ und „Man kann niemandem seine Angst ausreden.“

Auch aus psychotherapeutischer Sicht würde man sich wünschen, dass Politiker und Medien den Mut aufbringen würden, sich und uns allen, die Wahrheit zuzumuten:

  • die Uhren können nicht zurück gedreht werden
  • Ängste müssen ausgehalten werden
  • ein absolute Sicherheit in einer globalisierten Welt ist nicht möglich
  • internationale Konflikte können nur international gelöst werden.

 

* Mit psychodynamischer Psychotherapie sind die „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ und die „analytische Psychotherapie“ gemeint

Burnout und Selbstoptimierung

Der Stress nimmt zu – überall.

Je nach Perspektive geht es um politische Aspekte, Stress am Arbeitsplatz, betrieblicher Gesundheitsförderung und persönlichen Stress.

In der SZ (3.12.15) wurde die Überförderung  als „Stress, den wir uns selbst machen“ und „Tyrannei der Selbstoptimierung“ beschrieben.

Und in der Tat: Viele Menschen, die mit behandlungsbedürftigem Burnout in  Behandlungen kommen, haben sich über Jahre selbst „ausgebeutet“, ohne auf ihre körperlichen und psychischen Grenzen zu achten.

Da wundert es nicht, dass sie mit schweren Depressionen  und zahlreichen körperlichen Beschwerden (Somatisierungsstörungen) in Behandlungen kommen.

Wer jahrelang versucht hat, über seine Grenzen zu gehen, 150 % zu leisten, nicht gespürt, hat dass es zuviel ist, usw. braucht sich nicht zu wundern, dass er/ sie krank wird.

V.a Menschen mit hohem Anspruch an sich selbst, viel Verantwortungsgefühl, Perfektionismus, strikten Moralvorstellungen sind Burnout-gefährdet.

Und diese Beschwerden und Haltung muss behandelt werden. Dazu sind intensive, psychodynamische Psychotherapie, konfliktzentrierte Behandlung und nicht nur ein optimiertes Verhalten notwendig.

Wie sinnvoll ist Online-Therapie ?

Heute veröffentlicht die SZ einen Beitrag zur Therapie über Skype. Im Untertitel  wird schon deutlich, dass es mit der Online-Therapie nicht so einfach ist: „In Ausnahmefällen halten Psychotherapeuten den elektronischen Kontakt mit Patienten für sinnvoll“

Und ein Kontakt ist wirklich etwas anderes als eine Psychotherapie.

Natürlich findet der Kontakt zwischen Patient* und Therapeut* wie jede andere Kommunikation immer auch elektronisch, also per Mail, statt.

Aber ein Kontakt allein kann helfen, ist aber noch keine Therapie.

In der Therapie geht es nicht nur um Ratschläge, Unterstützung und Handlungsempfehlungen.

V.a. in psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren werden viele emotionale Konflikte und Probleme hinter der Symptomatik erst im Kontakt und in der Beziehung zum Therapeuten* deutlich. Oft waren diese Konflikte den Betroffenen vorher unbewußt.

Damit das möglich ist, muss aber auch ein therapeutischer Raum, Ruhe, Zeit für Pausen und zum Nachdenken sein.

Und es gibt Gründe dafür, dass eine Therapie mit bestimmten Regeln stattfindet, mit festen Zeiten, Neutralität des Therapeuten* und Abstinenz.

Der Therapeut* muss auch die Möglichkeit haben, die non-verbalen Signale der Patienten (Körperhaltung, Auftreten, Bewegungen, Blickkontakt usw.) wahrzunehmen und in der Therapie zu bersprechen.

All das ist in einer Online-Therapie nur eingeschränkt oder gar nicht möglich.

Und es ist sicher kein Zufall, dass es sich bei der Therapie im o.g. SZ-Artikel eigentlich um eine Krisenintervention handelt, bei der sich der Therapeut und der Patient aus einer Face To Face Therapie kannten.

Deswegen stimmt die Zwischenüberschrift im Artikel: In der Psychotherapie sind „Online-Angebote keine Alternative zum persönlichen Kontakt„.

* es sind immer  beide Geschlechter gemeint

Hilfe für Gesunde in Krisen

Als wir vor sieben Jahren unsere Abteilung für Psychosomatik bei München eröffnet haben, schrieben wir in unseren Flyer: „Wir helfen Gesunden in Krisen !“ Damit wollten wir auf unser Angebot von diagnostischen Gesprächen für die Menschen aufmerksam machen, die oft erstmals in ihrem Leben in schwere Lebenskrisen geraten waren und schnelle Hilfe brauchten.

Erstaunlicherweise habe ich in dieser Woche einen Artikel in der ZEIT gefunden, der genau das zum Thema macht: Unter der Überschrift: „Erste Hilfe fürs Ich“ und dem Untertitel: „Wer eine Therapie benötigt, muss meist lange warten. Vielen Menschen reicht aber in psychischen Krisen eine kurzfristige Unterstützung – Hauptsache schnell“ (ZEIT, Nr. 22, vom 22.5.2014) werden lange Wartezeiten beklagt und ein wirklicher Missstand in der Versorgung beklagt:

Es gibt wenig akute Anlaufstellen für Menschen in psychischen Krisen, die den Betroffenen dabei helfen, schnell die für sie richtige oder angemessene Behandlung zu finden.

An vielen Stellen haben wir in diesem Blog beklagt, dass Menschen, die  Hilfe  bei psychischen Problemen suchen, oft ganz unterschiedliche Empfehlungen bekommen, die sie zusätzlich irritieren und verunsichern.

Oft bekommen Menschen mit dem gleichen Problem oder den gleichen Beschwerden ganz unterschiedliche Empfehlungen. Und die Betroffenen sind in Not und können oft nicht unterscheiden, ob sie nur ein kleines, akutes Problem haben und nur wenige Gespräche zur Unterstützung brauchen, oder ob sich hinter der akuten Krise ein größeres Problem verbirgt.

Dazu brauchen sie Experten für schnelle Gespräche, exakte Diagnostik und unabhängige Behandlungsempfehlungen.

Das bieten wir in unserer psychosomatischen Abteilung in Ebersberg bei München seit inzwischen sieben Jahren an.

Wir machen jährlich Hunderte von Gesprächen mit Menschen in Krisen. Nur ein Teil von ihnen kommt zu uns in Behandlung. Den anderen empfehlen wir andere Abteilungen, ambulante Therapien oder medizinische Behandlungen.

Wir sind nicht vollständig unabhängig, da wir unser eigenes Behandlungskonzept und unsere eigene Abteilung haben. Wir versuchen aber, Termine so schnell wie möglich anzubieten und Menschen nur die notwendigen Behandlungs-Empfehlungen zu geben. Bei diesen Empfehlungen orientieren wir uns an den nationalen und internationalen Behandlungs-Leitlinien der Fachgesellschaften.

Das heisst, wir empfehlen unsere, psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren nur, wenn sie den Leitlinien entsprechen, wenn es keine besseren, anderen Behandlungen gibt und die Betroffenen sich nach ausführlicher Information auch selbst für eine Behandlung in unserer Psychosomatik bei München entschieden haben.

Denn die Empfehlungen in dem oben erwähnten Artikel sind nicht in allen Fällen hilfreich:

– Sozialpsychiatrische Dienste haben oft ein psychiatrisches Klientel mit z.T.chronischen psychischen Problemen

Kirchliche Beratungsstellen und psychosoziale Beratungsstellen sind oft auf bestimmte Probleme spezialisiert und Psychiatrische Ambulanzen wenden sich oft an „schwer und chronisch Kranke“ und bieten Hilfe “ sowie in psychiatrischen Notfällen“.

 

Psychische Gesundheit und Vorbelastungen

In dieser Woche wurde eine Studie der Technischen Universität Dresden zu den Risikofaktoren für psychische Störungen bei Soldaten veröffentlicht. Diese Studie ist deshalb interessant, weil sie zeigt, dass es nicht reicht, nur akute Symptome zu untersuchen und zu behandeln.

Das hatten wir auch schon in einem Blog-Beitrag im Juli beschrieben: „Burnout und Narzissmus- Warum es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln“.

Die Studie von Wittchen, dem Leiter des Instituts für klinische Psychologie an der TU Dresden, ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht alle Menschen gleich stark auf die gleichen Belastungen reagieren. Die Studie mit 2500 Bundeswehrsoldaten belegt, dass jeder fünfte Soldat schon mit einer psychischen „Störung“ in den Auslandseinsatz geht. Dabei handelte es sich unter anderem um nicht erkannte oder nicht behandelte Depressionen, Angsterkrankungen und Alkoholprobleme. Die belastete Gruppe unter den Soldaten hatte ein erhöhtes Risiko, durch den Auslandseinsatz an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, zu erkranken.

Wittchen betont im Interview mit der SZ den herausragenden Stellenwert, den psychische Vorerkrankungen für die Frage haben, ob Soldaten durch den Einsatz psychisch geschädigt werden.

Und aus der Sicht des aufmerksamen Lesers ist erschreckend, dass diese psychische Vor-Belastung nicht erkannt oder diagnostiziert wurde.

Noch schlimmer ist, dass die Posttraumatischen Belastungsstörung, PTBS, bei keinem der Soldaten erkannt oder behandelt worden war.

Aus therapeutischer Sicht wird durch diese Untersuchung noch einmal klar, dass unser aller Reaktion auf schwere und schwerste Belastungen davon abhängt, wie unsere Widerstandskraft oder Resilienz is – anders ausgedrückt – wie wir gelernt haben, mit psychischen Belastungen umzugehen.

Vereinfacht gesagt: Menschen, die schon immer ängstlich waren und wenig gelernt haben, mit Ängsten umzugehen, reagieren natürlich in einer angstauslösenden Situation mit vermehrter Angst und Angsterkrankungen. Sie haben – so die Sprache der Studie – eine psychische Vorbelastung oder psychische Vorerkrankung, die ihr Risiko erhöht, eine psychische Erkrankung zu bekommen. Das gilt genauso für Selbstwertprobleme und Narzisstische Krisen, für Depressionen und Suchterkrankungen.

Deshalb haben wir geschrieben, dass es nicht reicht, nur die Symptome zu behandeln, sondern dass es dringend notwendig ist, nach den psychischen Ursachen, die großteils unbewusst sind, zu suchen.

Das ist damit gemeint, wenn wir von einer psychoanalytisch begründeten Therapie sprechen.